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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Leben verschwand. Damals kam es mir gar nicht in den Sinn, dass ich je wieder heiraten wollen könnte. Meine Narben waren nicht so wie jetzt, wissen Sie. Ein Chirurg hat viel Arbeit investiert, um mein Gesicht wieder einigermaßen vorzeigbar zu machen. Und das hat mich den größten Teil meines restlichen Vermögens gekostet.»
    «Es hat sich gelohnt», sagte ich. «Er hat hervorragende Arbeit geleistet.»
    «Das ist nett von Ihnen. Und jetzt habe ich jemanden kennengelernt. Einen anständigen Mann, den ich heiraten möchte. Deshalb will ich wissen, ob Friedrich tot ist oder ob er noch lebt. Er hat gesagt, er würde mir schreiben, wenn er in Südamerika sei. Dort wollte er hin. Dorthin gehen die meisten. Aber er hat nie geschrieben. Andere, die mit Friedrich geflohen sind, haben sich bei ihren Familien gemeldet und sind jetzt in Argentinien oder Brasilien. Aber von meinem Mann habe ich nichts gehört. Ich habe Kardinal Josef Frings in Köln um Rat ersucht, und er sagt, in der katholischen Kirche ist eine Wiederverheiratung nicht möglich, solange es keinen Beweis dafür gibt, dass Friedrich tot ist. Und ich dachte, wo Sie doch selbst in der SS waren, könnten Sie vielleicht eher herausfinden, ob er noch lebt oder tot ist. Und ob er in Südamerika ist.»
    «Sie sind ja gut informiert», sagte ich.
    «Nicht ich», sagte sie. «Mein Verlobter. Das hat er mir gesagt.»
    «Und was macht Ihr Verlobter?»
    «Er ist Jurist.»
    «Ich hätte es wissen müssen.»
    «Bitte?»
    «Nichts», sagte ich. «Wissen Sie, Frau Warzok, nicht jeder, der in der SS war, ist so ein warmherziger, knuddeliger Typ wie ich. Manche von diesen alten Kameraden mögen keine Fragen, nicht mal von Leuten wie mir. Was Sie da von mir verlangen, könnte gefährlich werden.»
    «Das ist mir klar», sagte sie. «Wir werden dafür sorgen, dass sich Ihre Mühe lohnt. Ich habe noch etwas Geld. Und mein Verlobter ist ein wohlhabender Anwalt.»
    «Gibt es denn andere? Mir schwant, dass irgendwann jeder Anwalt wird. Es kann gar nicht anders kommen.» Ich zündete mir noch eine Zigarette an. «In einem Fall wie diesem könnten auch die Ermittlungen selbst ein paar Kosten mit sich bringen. Spesen. Geld, um die Zungen zu lösen.»
    «Um die Zungen zu lösen?»
    «Eine Menge Leute sagen oder tun erst dann etwas, wenn sie ein Bildchen von Europa und dem Stier sehen.» Ich nahm einen Schein heraus und zeigte ihr, wovon ich sprach. «Dieses Bildchen.»
    «Ich nehme an, Sie gehören auch zu diesen Leuten.»
    «Ich funktioniere per Geldeinwurf, wie alles und jeder heutzutage. Anwälte eingeschlossen. Ich kriege zehn Mark am Tag plus Spesen. Ohne Quittung. Ihrem Steuerberater wird das gar nicht gefallen, aber da kann man nichts machen. Und ich bekomme einen Vorschuss. Das dient nur Ihrer Entlastung. Es entlastet Sie nämlich davon, mir dieses Geld dann geben zu müssen, wenn sich herausstellen sollte, dass es nicht rauszufinden ist. Kunden empfinden es immer als Belastung, wenn sie zahlen sollen, obwohl sie nicht viel dafür kriegen.»
    «Was halten Sie von zweihundert Mark Vorschuss?»
    «Zweihundert sind besser als einhundert.»
    «Und eine ansehnliche Prämie, wenn Sie ein Indiz dafür finden, dass Friedrich tot ist oder noch lebt.»
    «Wie ansehnlich?»
    «Ich weiß nicht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.»
    «Wäre gut, wenn Sie’s täten. Ich funktioniere dann nämlich besser. Wie viel wäre es Ihnen wert, wenn ich etwas fände? Beispielsweise etwas, das es Ihnen erlaubt, wieder zu heiraten?»
    «Ich würde Ihnen fünftausend Mark zahlen, Herr Gunther.»
    «Haben Sie schon mal dran gedacht, dem Kardinal diese Summe zu bieten?»
    «Sie meinen so eine Art Bestechung?»
    «Nein, nicht so eine Art Bestechung, Frau Warzok. Ich meine Bestechung, schlicht und einfach. Für fünftausend Mark kriegt man eine Menge Rosenkränze. So haben die Borgias schließlich auch ihr Vermögen gemacht. Das weiß doch jeder.»
    Frau Warzok schien schockiert. «So ist die Kirche nicht mehr», sagte sie.
    «Nein?»
    «Das könnte ich nicht», sagte sie. «Die Ehe ist ein Sakrament und unauflöslich.»
    Ich zuckte die Achseln. «Wenn Sie meinen. Haben Sie ein Foto von Ihrem Mann?»
    Einem Umschlag in ihrer Aktenmappe entnahm sie drei Fotos. Das erste war ein Standard-Studioporträt von einem Mann mit blitzenden Augen und einem breiten Grinsen. Die Augen standen ein bisschen zu eng beisammen, aber ansonsten deutete nichts darauf hin, dass dieses Gesicht einem psychopathischen

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