Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
dann in Bremen. Als dann der Krieg ausbrach, gingen wir zur Waffen-SS. Heinrich interessierte sich für Panzer – so wie er sich für fast alles interessiert, was einen Motor hat. Ich habe mich einfach drangehängt. Meine Eltern waren nicht gerade glücklich über meine Entscheidung. Sie konnten weder Hitler noch die Nazis leiden. Mein Vater ist mittlerweile tot, aber meine Mutter hat seit dem Krieg kein Wort mehr mit mir gesprochen. Na, jedenfalls, alles ging gut bis zu den letzten Kriegswochen. Da wurde ich dann verwundet. Punkt. Das ist meine ganze Geschichte. Keine Orden. Kein Ruhm. Und bloß kein Mitleid, wenn Sie verzeihen. Ehrlich, ich hatte es selbst herausgefordert. Ich hatte etwas Unrechtes getan. Und ich meine nicht das arme Mädchen, das ich in der Tinte habe sitzenlassen. Ich meine bei der SS.»
    «Wir haben alle Dinge getan, auf die wir nicht stolz sind», sagte ich.
    «Vielleicht», sagte er. «Manchmal fällt es mir sehr schwer zu glauben, dass das alles wirklich passiert ist.»
    «Das ist der Unterschied zwischen Krieg und Frieden», sagte ich. «Im Krieg erscheint einem das Töten eine pragmatische, nüchterne Angelegenheit. In Friedenszeiten nicht. Nicht auf die gleiche Art. Im Frieden denkt jeder nur an die schreckliche Sauerei auf dem Teppich, die entsteht, wenn man jemanden tötet. Ob man daran denkt und ob die Sauerei einem was ausmacht, ist der einzig echte Unterschied zwischen Krieg und Frieden.» Ich zog an meiner Zigarette. «Ist nicht gerade Tolstoj, aber ich arbeite dran.»
    «Nein, das gefällt mir», sagte er. «Schon allein, weil es wesentlich kürzer ist als Tolstoj. Inzwischen schlafe ich schon ein, wenn ich etwas Längeres als eine Busfahrkarte lese. Ich mag Sie, Bernie. Genug, um Ihnen einen guten Rat in Bezug auf Engelbertina zu geben.»
    «Ich mag Sie auch, Erich. Aber Sie brauchen mir nicht zu sagen, dass ich die Finger von ihr lassen soll, weil Sie für sie empfinden wie für eine Schwester. Ob Sie’s glauben oder nicht, ich bin nicht der Typ, der so was ausnutzt.»
    «Das ist es ja gerade», sagte er. «Sie könnten Engelbertina gar nicht ausnutzen, nicht mal, wenn Sie mit zweitem Namen Svengali hießen und sie unbedingt im Regina Palace singen wollte. Nein, wenn hier jemand ausgenutzt würde, wären Sie es. Glauben Sie mir. Sie sind derjenige, der aufpassen muss. Sie wird auf Ihnen spielen wie auf einem Steinway, sobald Sie sie auch nur auf den Klavierhocker lassen. Manchmal macht es ja Spaß, wenn auf einem gespielt wird. Aber nur dann, wenn man es weiß und es einem nichts ausmacht. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie ihr nicht völlig verfallen. Und ich sage Ihnen vor allem: Sie ist keine zum Heiraten.» Er nahm die Pfeife aus dem Mund und musterte nachdenklich den Pfeifenkopf. Ich warf ihm wieder die Streichhölzer zu. «Sie ist nämlich schon verheiratet.»
    «Verstehe», sagte ich. «Ihr Mann ist in einem Lager verschwunden.»
    «Nein. Keineswegs. Es war ein amerikanischer Soldat, der drüben in Oberammergau stationiert war. Sie hat ihn geheiratet, und dann ist er verschwunden. Höchstwahrscheinlich desertiert. Aus der Ehe und aus der Armee. Es wäre ein Jammer, wenn sie Sie herumkriegen würde, für sie detektivisch tätig zu werden und den Kerl zu suchen. Er ist ein Tunichtgut, und es wäre am besten, er bliebe verschwunden.»
    «Das ist doch wohl ihre Entscheidung, oder? Sie ist erwachsen.»
    «Ja, dass Ihnen das aufgefallen ist, habe ich mitgekriegt», sagte er. «Tun Sie, was Sie wollen, Polyp. Aber sagen Sie nachher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.»
    Ich schnippte meine Kippe weg und löste die Rollstuhlbremse mit dem Fuß. «Sitzen bleiben, wir starten», sagte ich. «Von Blondinen und verschwundenen Ehemännern habe ich genug. So was hat mich meinen Finger gekostet. Da bin ich so leicht zu konditionieren wie ein Pawlow’scher Hund. Es reicht, dass irgendeine Hausfrau auch nur andeutet, ihr Gatte sei immer noch nicht vom Kartenspielen zurück, und schon gehe ich los und suche mir ein paar Betonhandschuhe. Oder eine Rüstung.» Ich schüttelte den Kopf. «Ich werde alt, Erich. Ich stecke es nicht mehr so weg wie früher, wenn man mich zusammenschlägt.»
    Ich schob Grün zum Haus zurück. Er war müde und wollte sich hinlegen, und ich ging auf mein Zimmer. Kurz darauf klopfte es an der Tür. Es war Engelbertina. In der Hand hielt sie eine Pistole. Eine Mauser. Nicht das Kaliber, um auf Mäuse zu schießen. Zum Glück war sie nicht auf mich gerichtet.
    «Ich

Weitere Kostenlose Bücher