Das Jesus Sakrileg 2
hellhörig.
Alles, was mit einer Frau und dem Vatikan zu tun hatte, machte den Kardinal stutzig.
Unverzüglich machte er sich auf dem Weg zur Wache. Er wollte diese Zigeunerin mit eigenen Augen sehen. Er wollte wissen, wer sie war. War sie die Person, die er in vielen vergessenen Schriften in der vatikanischen Geheimbibliothek angetroffen hatte? Es war undenkbar. Aber undenkbar war es auch gewesen, dass es dieses Tagebuch gab. Er durfte kein Risiko eingehen.
Bei der Wache angekommen, sagte man ihm, dass man die alte Dame in ein Zimmer eingeschlossen habe und auf die Carabinieri wartete. Er forderte den Schweizer Gardisten auf, ihn zu ihr zu führen. Zu seiner Überraschung war das Zimmer leer.
Der Kardinal war sichtlich angespannt, ließ es sich aber nicht anmerken. Der Schweizer Gardist war bis aufs peinlichste gedemütigt und erduldete die erniedrigende n Worte des Kardinals, wie eine alte Zigeunerin unbemerkt aus dem Zimmer fliehen konnte. Dass der Schweizer Gardist mit harten Sanktionen rechnen musste, verstand sich von selbst.
Verärgert ging er zurück in seine Gemächer.
„Zufall?“, sagte er zu sich selber und ballte die Faust.
„Nein, du glaubst nicht an Zufälle. Wer ist diese alte Frau? Was will sie hier?“
Dass es sich hierbei um die gleiche alte Frau handelte, die der Papst vor einigen Jahren in Jerusalem traf, stand für ihn außer Frage.
Eigentlich war Seine Heiligkeit im Glauben, dass niemand von dieser Begegnung erfahren hatte, aber er hatte sich geirrt gehabt. Denn der Kardinal wusste davon, seinem Geheimdienst entging nichts.
Und schon damals fand er es befremdlich, dass der Papst ausgerechnet eine alte Frau aus purem Zufall in Jerusalem aufgesucht hatte. Und dann mit dieser ein sehr langes Gespräch hatte.
Und als er dann wieder im Vatikan war, schienen die Krankheitssorgen des Papstes wie weggefegt. Und auch die Gerüchte, er wolle zurücktreten, schienen belanglos. Das alles konnte kein Zufall gewesen sein!
Und schon gar nicht, wenn man dies mit den Erkenntnissen verglich, die ihm durch akribische, wissenschaftliche Arbeit gelungen war.
Jahrelang hatte er Dokumente aus fast zwei Jahrtausenden studiert. Nach bestimmten Stichworten im vatikanischen Bibliothekscomputer gesucht. Lange Nächte im Geheimarchiv verbracht. Am Anfang eher aus wissenschaftlichem Interesse, doch dann stieß er immer wieder auf dieselben Ereignisse, die ihn stutzig und neugierig machten. Es waren meistens nur kurze Sätze, Nebensächlichkeiten, doch geschahen diese Nebensächlichkeiten über Jahrhunderte hinweg - und bei wichtigen Ereignissen. Und immer ging es um eine Frau, die aus dem Nichts kam und versuchte, die Kirche zu beeinflussen. Und genau so schnell, wie sie erwähnt wurde, verschwand sie auch wieder aus der Zeitgeschichte.
So gab es ein Fragment aus Neros selbst verfassten Schriften, welches auf das Jahr 64 n. Chr. datiert war, als Nero in einem seiner künstlerischen Ergüsse auf die Hinrichtung der Christen in der Arena zu sprechen kam und dort schrieb: „Ach, wie ist mir der Pöbel doch verhasst. Sie wollten ein Schauspiel und was bekamen sie? Langeweile! Und du, Apollo, bist mein Zeuge, dass ich , Gott Nero, frei jeglicher Verantwortung bin. Nachdem diese selbst Rom entzündeten, flehten sie mich an, die Sekte dafür verantwortlich zu machen. Und was tut ein guter Vater, wenn seine Kinder bitten? Er lässt sie gewähren. So ließ ich diese Chrestianer in die Arena führen, damit dieser Pöbel seine Freude haben mochte. Man versicherte mir ein Schauspiel, da ihr Gott, ein Jesus, sehr mächtig sei. Voller Vorfreude machte ich mich auf den Weg. Hätte ich doch bloß auf Lucius‘ - ach, lieber Lucius Seneca - Rat gehört.“
Da standen sie nun , diese Chrestianer, 200 oder mehr, und etliche Löwen. Und was taten sie, sie sangen und beteten! Aber ihr Gott kam nicht, denn die Löwen zerfleischten sie. War das anfangs noch amüsant, so schlich doch schnell die Langeweile ein. Und ihr Gott, dieser Jesus, keine Spur von ihm. Selbst, als ihre heiligen Mannen, dieser Petrus und Paulus, zerfleischt wurden, war nichts von Jesus zu sehen. Welch schwacher Gott. Ich weiß, du Apollo, würdest mir in der Not zu Hilfe eilen. Aber du bist auch ein wahrer Gott.
So war es dann auch nicht verwunderlich, dass das jämmerliche Schauspiel damit endete, dass alle Christen starben.
Aber nicht alle, eine Frau blieb am Leben. Die Löwen wollten sie einfach nicht fressen.
Wen wundert’ s, hatten sie sich doch
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