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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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machte ein grimmiges Gesicht.»Darf man fragen, wen Sie mitzubringen gedenken?«
    Kaun blickte ihn mit einem sphinxhaften Lächeln an.»Einen Kardinal«, sagte er.
    Sie kam mit zwei Tassen Kaffee. Obwohl sie sich sagte, daß sie das beide brauchen konnten nach dieser Nacht, war ein anderer, heimlicherer Beweggrund die Hoffnung, daß er sie so nicht gleich wieder aus seinem Zelt weisen würde. Und es war nur gerecht, daß ihr der heiße Kaffee die Finger verbrannte, während sie über den steinigen Boden aufwärts zu den Zelten balancierte und sich vergeblich bemühte, nichts zu verschütten. Schließlich hatte sie, wenn man ehrlich war, den Streit angefangen, und sie wußte nicht einmal, weshalb. Vielleicht, weil sie sich immer noch fühlte wie durch den Fleischwolf gedreht.
    Stephen saß vor seinem Laptop, die Hände im Schoß, als sie in sein Zelt kam. Er warf ihr nur einen beiläufigen Blick zu, als wundere ihn überhaupt nicht, daß sie kam. Er sah auch noch ziemlich lädiert aus.
    »Und? Hast du dein Angebot geschrieben?«Ach, verdammt! Das klang schon wieder so spitz. Als sei sie gekommen, um weiter zu streiten.
    Er nickte nur matt zum Bildschirm hin.»Ich faxe es gerade.«
    Sie reichte ihm eine Tasse. Die vollere.»Hier. Als kleine Entschuldigung, daß ich dich so angemacht habe. Tut mir leid.«
    »Danke.«Er nahm den Kaffee bereitwillig, fast gierig, und sah sie dann forschend an.»Wieder Freunde?«
    »Wieder Freunde.«
    Der Computer piepste, was wohl bedeutete, daß das Fax seinen Bestimmungsort erreicht hatte. Stephen stöpselte das Mobiltelefon ab und schaltete es aus.»Was weißt du über Jesus?«fragte er dann unvermittelt.
    Judith setzte sich überrascht auf sein zerwühltes Feldbett.»Ziemlich wenig, fürchte ich.«
    »Ich habe vorhin ein paar verläßliche Internetadressen zu diesem Thema angezapft, aber wie es scheint, gibt es außer in der Bibel — also im Neuen Testament — praktisch keine Hinweise, daß er tatsächlich gelebt hat.«
    »Merkwürdig. Er wurde doch hingerichtet. Müßte das nicht irgendwo verzeichnet sein? In irgendwelchen Gerichtsprotokollen?«
    »Ja, sollte man meinen. Nach den Evangelien erfolgte die Hinrichtung unter Pontius Pilatus, und der hat tatsächlich gelebt, das weiß man. Er war vom Jahr 26 bis 36 römischer Prokurator in Judäa, und er muß ein ziemlich grausames Regime geführt haben. Im Jahr 35 ließ er die Samaritaner überfallen und niedermetzeln, worauf ihn der Statthalter in Syrien, der Vater des späteren Kaisers Vitellius, nach Rom schickte, um sich dort zu verantworten. Er wurde seines Amtes enthoben und mußte sich auf Geheiß des Kaisers das Leben nehmen.«
    Judith nickte nachdenklich.»Das war auf dem Berg Garizim. Der Überfall auf die Samaritaner. Ich erinnere mich dunkel. Da gibt es heute sogar eine Gedenkstätte, glaube ich.«
    »Du kennst dich ziemlich gut aus.«
    »Ach, das kommt von meinem Vater. Der hat uns in unserer Kindheit so geplagt mit seiner Frömmigkeit, daß ich für alle Zeiten verdorben bin für jede Religion. Aber das Judentum ist nun mal so verwoben mit der Geschichte, daß doch einiges hängen bleibt.«
    »Seltsam, oder? Das Christentum scheint ganz ohne Geschichte auszukommen. Abgesehen von der Lebensgeschichte Christi.«Er drückte ein paar Tasten an seinem Computer. Auf dem Bildschirm öffnete sich ein Dokument.»Über die gibt es sogar relativ genaue Daten. Ich frage mich, woher man die eigentlich wissen will. Jesus ist also angeblich im Jahre 7 oder 6 vor der Zeitrechnung geboren — im Mittelalter hat sich irgendein Mönch verrechnet, als man die auf seiner Geburt beruhende Zeitrechnung einführte. Im Jahre 27 etwa begann sein öffentliches Wirken in Galiläa — er müßte also 33 oder 34 Jahre alt gewesen sein. Und am genauesten glaubt man das Datum seiner Hinrichtung zu wissen: Freitag, der 7. April des Jahres 30.«
    Judith nippte an ihrem Kaffee. Der Kaffeeduft überdeckte den miefigen Geruch nach Staub, Schweiß und ungewaschener Wäsche, der in allen Zelten herrschte und den sie heute nur schwer ertragen konnte.»Merkwürdig«, murmelte sie in den Becher.
    »Seltsam, nicht wahr? Da zieht ein Mann drei Jahre lang durch Palästina, predigt zu Menschenmassen, vollbringt Wunder — erweckt Tote zum Leben, man stelle sich das vor! Doch die zeitgenössische Geschichtsschreibung nimmt anscheinend keine Notiz davon. Er zettelt beinahe einen Volksaufstand an — wenigstens das hätte ein römischer Bericht doch vermerken müssen.

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