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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Taxi bestellt hatte. Genau. Ob er gut heimgekommen sei.
    Ja, problemlos, erwiderte George kurz und setzte hinzu:»Ich muß Sie eine Minute unter vier Augen sprechen, Vater.«
    »Gern«, erwiderte der Priester.»Gleich im Anschluß an den Mittagsgottesdienst, wenn Sie wollen.«
    »Ich fürchte, soviel Zeit habe ich nicht. Es muß jetzt sofort sein.«
    Pater Lukas konnte nur unvollkommen verbergen, was er von dem Ansinnen, seinen wohfeingespielten Tagesablauf umzustoßen, hielt.»Ich fürchte, mein Sohn, dazu fehlt mir wiederum die Zeit. Alle diese Menschen warten darauf, den Gottesdienst zu feiern…«
    »Eine Minute, Vater. Bitte.«
    George hielt dem Blick des Paters stand. Er war entschlossen, diese Minute zu bekommen, und bereit, sich notfalls vor dem Geistlichen in den Dreck zu werfen, zu winseln und zu jammern und jede nur denkbare Szene zu machen, sich zum völligen Gespött der Leute und zum Gesprächsstoff des ganzen Viertels auf Wochen hinaus zu machen — aber er würde diese Minute bekommen.
    Vielleicht spürte Pater Lukas diese Entschlossenheit. Jedenfalls nickte er gottergeben und meinte:»Gut, wenn es so dringend ist… Gehen wir in die Sakristei. Aber nur eine Minute!«
    Einer der Firmenjets, von denen die News And Entertainment Worldwide Incorporated insgesamt sechs Stück besaß, brachte John Kaun nach Rom. Unterwegs fand er endlich Zeit, die Bilanzen, Vermögensaufstellungen und sonstigen Unterlagen zu studieren, die Enrico Basso ihm während der Fahrt zum Flughafen Tel Aviv ins Auto gefaxt hatte.
    Wie man es drehte und wendete, die katholische Kirche war nach jedem denkbaren Maßstab eine grundsolide Firma. Fast schon zu solide. Vor allem, wenn man ins Kalkül zog, daß der Vatikan ein eigener, souveräner Staat war und demzufolge keinerlei Steuern zu zahlen waren. Davon konnten der Exxon Konzern oder IBM nur träumen. Selbst wenn man von Bassos Vermutungen die fraglichen wegließ, ergaben sich Renditen, wie sie sonst allenfalls Drogenkartelle erzielten. Und wahrscheinlich stimmte mindestens die Hälfte von Bassos Zahlen. Er kannte den italienischen Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer als einen überaus gewieften Recherchierer, der sogar eher zu vorsichtig geschätzt hatte, wenn es etwas zu schätzen gab. Man mußte davon ausgehen, daß der Heilige Stuhl mehr Kapital kontrollierte, als die offizielle Bilanz auswies. Immerhin war der Vatikan bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ein großer, mächtiger Staat gewesen, und große, mächtige Staaten verschwanden nicht einfach von der Landkarte, ohne daß vorher immense Vermögenswerte in diversen Verstecken sichergestellt wurden.
    Kaun sah aus dem Fenster. Sie flogen über einer faserigen Wolkenschicht, unterhalb derer undeutliche, graubraune Küstenkonturen sichtbar waren. Das Meer leuchtete tiefblau, wie der Himmel, überzogen von einem unwirklichen Glitzern wie kristallenes Moos.
    Und all dieser Reichtum und all diese Macht, überlegte Kaun, war gegründet auf nichts anderem als auf der geschickten Vermarktung eines Mythos, der vor zweitausend Jahren in Palästina entstanden war. Eines Mythos, für dessen Fortexistenz das Video, das sie suchten, von entscheidender Bedeutung war — was auch immer darauf zu sehen sein würde.
    Eine einzigartige Verhandlungsposition.
    Wenn es ihm gelang, dieser einzigartigen Firma zu verkaufen, was er noch gar nicht besaß, dann würde zum ersten Mal in seinem Leben sein Vorstellungsvermögen die ausschlaggebende obere Grenze sein für das, was er fordern konnte, nicht das Vermögen der anderen Seite.
    Nachmittags begann die allmähliche Auflösung des Lagers. Bis dahin waren die Grabungshelfer zusammengehockt, beim Küchenzelt oder an der Feuerstelle, und hatten geredet. Hatten versucht, mit der Enttäuschung fertigzuwerden — viele hatten sich auf Wochen oder Monate in Bet Hamesh eingerichtet; daß ihnen jetzt so unvermittelt zugemutet wurde, Abschied zu nehmen, traf sie beinahe wie ein körperlicher Schlag.
    Niemand schien Lust auf eine Diskussion um das Thema»Areal 14«zu haben. Man tauschte Adressen und Telefonnummern, versuchte angefangene Flirts hastig noch ein Stück weiter zu treiben, verabredete Besuche und daß man sich bei anderen Ausgrabungen wieder treffen würde. Und das Telefon im Kantinenzelt war heftig umlagert.
    Dann begannen die ersten zu packen. Autos kamen, nur um Koffer und Rucksäcke aufzunehmen und wieder davonzufahren. Immer wieder Kopfschütteln, kurze Diskussionen in vielerlei

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