Das Jesus Video
wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls. Der Sekretär der Präfektur, Prälat Genaro, hatte ein Gespräch mit einem amerikanischen Industriellen namens John Kaun geführt, der ihn aufgesucht und behauptet hatte, bei Ausgrabungen in Israel Funde aus der Zeit Jesu gemacht zu haben, die angeblich beweisen oder widerlegen konnten, daß Jesus tatsächlich von den Toten auferstanden war — welches von beiden, hatte er aus Gründen, die aus dem kurzen Memorandum nicht hervorgingen, nicht sagen wollen.
Das Vorkommnis als solches war nicht unbedingt aufregend. Es passierte laufend, daß sich irgendwelche Irren mit den tollsten Behauptungen an den Vatikan wandten. Ausgrabungsfunde waren nur eine Spielart. Immer wieder tauchte einer auf, der sich für den wiedergekehrten Heiland hielt und der dann äußerst ungöttlich in Rage geriet, wenn anstatt des Papstes, um ihm zu huldigen, drei Krankenwärter auftauchten, um ihn mitzunehmen. Andere hatten Visionen, in denen ihnen meist die Gottesmutter erschien und die absonderlichsten Aufträge erteilte, in der Regel, weil angeblich das Ende der Welt bevorstand. Ja, und Ausgrabungen. Ausgrabungen zufolge hatte Jesus angeblich im achten Jahrhundert in Südamerika gelebt. War nach seiner Auferstehung nach Tibet gegangen. Hatte lange vor seiner angeblichen Geburt als einer der biblischen Propheten gewirkt.
Und derlei Wahnvorstellungen waren nicht auf bestimmte Bevölkerungsschichten beschränkt. Religiöser Wahn traf Arme wie Reiche, Gebildete wie Ungebildete, und in den Unterlagen, die geführt wurden, fanden sich alle Berufe, Altersstufen, Rassen und Geschlechter. Insofern war es nicht einmal bemerkenswert, daß der bekannte amerikanische Medienindustrielle vorstellig geworden war. Schließlich hatte es schon Präsidenten gegeben, die sich vom Leibhaftigen verfolgt und solche, die sich als Sendboten Gottes gefühlt hatten.
Das einzig Bemerkenswerte war, daß John Kaun sich unter allen denkbaren Anlaufstellen ausgerechnet an die Präfektur für wirtschaftliche Angelegenheiten gewandt hatte.
So, als habe er geglaubt, man würde ihm seinen Fund begeistert abkaufen.
Ja, und dann gab es da das zweite Blatt. Scarfaro legte die Fingerspitzen zeltdachförmig gegeneinander, die Zeigefinger gegen sein Kinn gestellt, und las den Text zum hundertsten Mal.
Die Mitteilung stammte von einem Franziskanerpater in Jerusalem. Im Grunde war sie völliger Schwachsinn. Er berichtete, daß ihn ein Mann aufgesucht habe, der bei einer Ausgrabung westlich von Jerusalem arbeitete. Wie der Zufall so spielte, eben jene Ausgrabung, die John Kaun betrieb.
Dieser Mann — ein Amerikaner mexikanischer Abstammung — hatte Pater Lukas anvertraut, was bei dieser Ausgrabung gefunden worden war.
Angeblich.
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Aus den eingangs erwähnten Gründen mußten die Arbeiten relativ plötzlich eingestellt werden. Die nicht mehr geborgenen Funde wurden gekennzeichnet und mit einer Sandschicht abgedeckt. Die geborgenen Funde wurden in die Sammlung des Rockefeller-Museums verbracht (Inv.-
Nr. 1003400 bis 1003499), mit Ausnahme der in Kap. XII besprochenen Artefakte.
Professor WilfordSmith Bericht über die Ausgrabungen bei Bet Hamesh DIE NACHT KAM schnell, wie immer, beinahe übergangslos. Mit dem Einbruch der Nacht endete der Sabbat, und Stephen schien es, als nähme damit das Verkehrsaufkommen genauso übergangslos zu. Kaum war es so dunkel, daß man die Scheinwerfer einschalten mußte, tauchten ringsum Autos auf, als hätten sie in Winkeln und Verstecken ungeduldig auf das Ende des Ruhetages gewartet, und fuhren, als seien sie wild entschlossen, den dadurch verursachten Rückstand aufzuholen.
Heute morgen hatte er es kaum erwarten können, wieder zurück ins Labor zu kommen und weiter an der Entzifferung des Briefes aus der Vergangenheit zu arbeiten. Doch im Laufe des Tages hatte er so viel über all die Möglichkeiten, Deutungen und Theorien nachgedacht, daß sich irgendwann so etwas wie eine schmerzhafte Gehirnverstopfung einzustellen schien. Jetzt fuhr er einfach und ließ die Dinge auf sich zukommen.
Er warf Judith einen kurzen Blick zu. Sie starrte hinaus in die Dunkelheit voll vorbeihuschender Lichter und schien in Gedanken versunken.
»Bereust du es?«fragte er.
Sie schien ein bißchen zu brauchen, bis sie verstand, was er damit meinte.»Nein. Nein, ich denke, das ist das beste.«
»Ich an deiner Stelle wäre zu Yehoshuah gezogen. Ich stelle mir gerade vor, wie das wäre, wenn ich meine Mutter
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