Das Jesus Video
anrufen und sagen würde, daß ich für zwei Monate zu Besuch komme. Sie würde putzen und waschen und kochen und bis zum Eintreten des Wahnsinns um mich herumwirbeln vor lauter Mutterglück. Nein, danke. Dann lieber unter die Brücke.«
»Wenn ich zu Yehoshuah ziehe, dann dauert es wahrscheinlich keine fünf Tage, und ich sehe mich selber putzen und waschen und kochen. Hast du eine Ahnung, was der für einen Männerhaushalt hat? In seiner Küche möchte ich nichts ohne Zange anfassen, und um sein Zimmer wirklich sauberzukriegen, brauchte man einen Flammenwerfer. Da gehe ich doch lieber zu meiner Mutter. Dort ist es wenigstens sauber, und sie versorgt mich anstatt umgekehrt.«
»Gutes Argument«, gab Stephen zu.
Sie drehte sich im Sitz herum, so daß sie ihn von der Seite betrachten konnte.»Mich würde mal interessieren, wie du zu Hause wohnst.«
»Sehr schön. Ich würd’s dir gerne anbieten, aber es ist leider fünftausend Meilen weit weg.«
»Hast du nicht erzählt, du wohnst auf dem Universitätscampus? Dann hast du doch auch nur ein winziges Zimmer.«
»Die anderen haben winzige Zimmer. Aber es gibt eine Hausmeisterwohnung, sehr schön auf dem Dach gelegen, mit Aussicht auf den Wald und den See dahinter, die leersteht, seit die Universität Personalkosten spart und einen Hausmeister weniger beschäftigt. Auf wundersame Weise ist mir die angeboten worden, und ich habe sie natürlich genommen.«
»Auf wundersame Weise. Ach so.«
»Zweieinhalb Zimmer, groß, hell, mit Einbauküche und überdachter Terasse. Du hättest sie auch genommen.«
»Eine Extrawurst eben, wie immer. Und wie sauber sind deine zweieinhalb Zimmer?«
»Ziemlich sauber.«
»Willst du mir sagen, daß du der eine Mann auf Erden bist, der seine Wohnung putzt?«
Stephen grinste ein dünnes Grinsen.»Nein. Ich bin der eine Student auf dem Campus, der sich eine Putzfrau leisten kann.«
»Na klar. Was frag’ ich denn.«Sie drehte sich wieder nach vorn.
Stephen überlegte, ob das nun taktisch unklug gewesen war. Auf junge Studentinnen pflegte seine edel eingerichtete Wohnung ausgesprochen aphrodisisch zu wirken, aber denen konnte er sie auch zeigen, nicht nur davon erzählen. Wenn man davon erzählte, dann klang selbst die reine Wahrheit wie Angeberei.
Doch Judith schien in Gedanken mit ganz anderen Dingen beschäftigt zu sein.»Ich versuche einfach, es undramatisch zu sehen«, erklärte sie nach einer Weile seufzend.»Das mit meiner Mutter, meine ich. Es ist okay, im Grunde. Klar, ich habe alle möglichen Anstrengungen unternommen, um von zu Hause wegzukommen. Alles, außer zu heiraten, meine ich. Das wäre das Einfachste gewesen. Und im Grunde habe ich’s ja auch geschafft — ich habe meine eigene Wohnung, mein eigenes Leben. Es ist nur für ein paar Wochen. Warum soll eine Tochter nicht mal für ein paar Wochen nach Hause zu ihrer Mutter gehen können?«Sie lachte auf.»Weißt du, was sie erzählt hat? Gestern abend habe ein Mann angerufen und nach mir gefragt. Stell dir vor. Sie hält das jetzt natürlich für ein Zeichen des Schicksals, ist ja klar.«
»Was für ein Mann war das? Ein alter Verehrer oder was?«
»Ich glaube nicht. Da gibt’s nicht so viele. Außerdem sprach er nur Englisch, sagte sie, kein Hebräisch.«
Ein Tanklastzug donnerte vorbei.
Eines der Räder hüpfte durch ein Schlagloch.
Stephen sah forschend in den Rückspiegel, kaute nachdenklich auf seinen Lippen, schaute wieder in den Rückspiegel.
»Ist irgendwas?«fragte Judith in das Schweigen hinein.»Bist du jetzt eifersüchtig oder was?«
Stephen holte sein Handy aus der Jackentasche, schaltete es ein und tippte mit dem Daumen die Codenummer ein, die seine Benutzung freigab.»Weißt du die Telefonnummer, unter der dein Bruder am Institut zu erreichen ist?«
»Ja, wieso?«
Er reichte ihr das Mobiltelefon.»Ruf ihn an.«
Ryan war ihnen außer Sichtweite gefolgt, war nur einmal, kurz nachdem sie in die belebte Schnellstraße nach Jerusalem eingebogen waren, dicht aufgefahren, um sich zu vergewissern, daß der dunkelblaue kleine Fiat, dem er folgte, tatsächlich der von Stephen Foxx war und daß er und seine Freundin tatsächlich darin saßen, dann hatte er sich weit zurückfallen lassen. Er konnte es locker angehen lassen. Das Gerät, das eingeschaltet auf dem Beifahrersitz lag, würde ihnen auf der Fährte bleiben.
Das war der Teil seines Jobs, der am erregendsten war. Menschen zu jagen. Unter allen Tieren war der Mensch das gefährlichste, denn er
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