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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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war das einzige Wild, das seinem Jäger ebenbürtig war. Selbst bei diesem kleinen, harmlosen Ausflug konnte er eine Erinnerung an andere, erregendere Momente in seinem Blut fühlen. Mediziner nannten es Adrenalin, aber für ihn war das einfach nur ein anderes Wort für Leben. Ein Mann war wirklich lebendig nur dann, wenn er jagte.
    Sie fuhren gleichmäßig, ließen sich überholen von dicken Schlitten, deren Fahrer es eilig hatten. Die Dämmerung war kurz gewesen, und seit die Nacht sich über das Land gebreitet hatte, folgte er nur noch einem Paar Rücklichter. Ohne seinen Peilempfänger hätte er sie leicht verlieren können.
    Was wollten die beiden in Jerusalem? Was hatten sie gestern dort gewollt? Was konnte ein junges Paar am Sabbat in der Heiligen Stadt unternehmen? Judith Menez’ Mutter hatten sie nicht besucht. Vielleicht waren sie auf eine Party eingeladen gewesen — aber warum fuhren sie dann heute abend schon wieder hin? Vielleicht nahmen sie sich ein Zimmer in einem Stundenhotel, aber wenn sie bumsen wollten, dann hätten sie das den ganzen Tag in Foxx’ Zelt tun können. Wie man es drehte und wendete, es ergab keinen Sinn.
    Ryan mochte es nicht, wenn um ihn herum Dinge geschahen, die keinen Sinn ergaben. Seiner Erfahrung nach war das ein Symptom dafür, daß in Wirklichkeit Dinge geschahen, von denen er nichts wußte.
    Jerusalem kam in Sicht. Er warf einen Blick auf den Bildschirm des Peilempfängers. Der helle Punkt leuchtete immer noch da, wo er zu leuchten hatte.
    »Du klingst ziemlich unzufrieden.«
    »Ja«, nickte Eisenhardt und fuhr sich mit den gespreizten Fingern durch das schweißverklebte Haar. Irgendwas mit der Klimaanlage schien nicht zu stimmen. Der Telefonhörer wurde unangenehm feucht an der Stelle, an der er ihn ans Ohr hielt.»Ich habe das Gefühl, nur unnütz herumzusitzen. Und die Angst, irgendwann mit Schimpf und Schande davongejagt zu werden, weil ich irgendwelchen Erwartungen, die niemals konkret artikuliert wurden, nicht entsprochen habe. So wie bei Kafka — im Prozeß, wo die Hauptfigur nie erfährt, was ihr eigentlich vorgeworfen wird.«
    »Aber du hast ein Rückflugticket. Du kannst jederzeit gehen, wenn du dich unwohl fühlst«, meinte Lydia.»Und falls es dir hilft, dich besser zu fühlen: Das Honorar für die ersten fünf Tage ist heute auf dem Konto eingegangen. Fast zwanzigtausend Mark. Die tun uns gerade sehr gut.«
    »Zwanzigtausend?«
    »Zehntausend Dollar, umgerechnet. Und dann noch Mehrwertsteuer drauf. Stimmt schon.«Lydia war der Finanzminister der Familie.»Jedenfalls, wenn du es irgendwie noch ein paar Tage aushaken kannst, wäre das nicht schlecht.«
    »Hmm, ja. Im Grunde ist es ja in Ordnung…«
    »Na also.«
    »Kommst du denn zurecht ohne mich?«
    Er hörte sie lachen.»Ach, ehrlich gesagt, ob du in deinem Arbeitszimmer an der Endfassung eines Romans sitzt oder irgendwo in Israel, macht fast keinen Unterschied.«
    »Danke. Das habe ich jetzt gebraucht.«Er spürte eine beinahe schmerzhafte Sehnsucht nach ihr, nach ihrer körperlichen Nähe, dem Geruch ihrer Haare und der Berührung ihrer Haut.»Vermißt du mich denn wenigstens ab und zu ein kleines bißchen?«
    Pause. Dann sagte sie, mit dunkler, ziemlich veränderter Stimme:»Jeden Abend.«
    »Ich dich auch.«
    Sie schwiegen eine Weile.»Ich habe gar keine Vorstellung davon, um was es bei der ganzen Sache eigentlich geht«, meinte Lydia dann.»Du hast gesagt, du bist auf einer Ausgrabung, und daß irgend etwas Bedeutendes gefunden wurde und seither denke ich die ganze Zeit darüber nach, was du dort eigentlich verloren hast. Ich meine, wenn du wenigstens historische Romane schreiben würdest… Aber ein Science Fiction-Autor? Ich verstehe es nicht. Das macht keinen Sinn für mich.«
    Peter Eisenhardt zögerte. Es gab etwas, das er einfach loswerden mußte. Und sei es nur, damit ihm seine Frau in ihrer beruhigenden Art seine Ängste ausreden konnte, wie sie es immer tat, wenn seine Phantasie mit ihm durchging.»Weißt du, was mir eigentlich zu schaffen macht, ist, daß ich den Verdacht habe…«
    In dem Wohnwagen, der die Organisationszentrale beherbergte, hatte sich im gleichen Moment, in dem Peter Eisenhardt den Hörer seines Telefons abgehoben hatte, ein Tonband zu drehen begonnen. Und in diesem Augenblick glitt das letzte Stück Band von der Spule, schlüpfte durch das Tonkopfgehäuse und fing danach an, flatsch flatsch flatsch auf der vollen Spule ringsum zu laufen, was die Aufmerksamkeit eines

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