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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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sich wieder hin, ließen den Motor an und nutzten eine Lücke im fließenden Verkehr, um sich einzufädeln und davonzufahren. Der andere Wagen rollte noch ein Stück nach vorn, genau dorthin, wo der erste gestanden hatte.
    »Jetzt aber nichts wie ab in die Stadt, was essen!«sagte der eine Mann zu dem anderen.»Ich sterbe vor Hunger.«
    Eisenhardt schloß die Tür der Toilette hinter sich, lehnte sich mit einem schweren Gefühl im Körper dagegen und starrte die gegenüberliegende Wand an. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er begriff, daß er ratlos war. Vollkommen ratlos. Was sollte er jetzt tun? Er hatte nicht den Hauch einer Ahnung. Konnte man denn überhaupt etwas tun, das einen Unterschied machen würde? So, wie es aussah, stand die Zukunft doch fest. War unabänderlich, festgeschrieben im großen Buch Gottes. Kismet. Die Fatalisten hatten recht behalten.
    Er wünschte sich, er hätte selber etwas von der Energie und dem Einfallsreichtum an sich gehabt, mit dem er die Hauptpersonen seiner Romane auszustatten pflegte. Dann hätte zumindest sein Dünndarm nicht angefangen, sich selbst zu verknoten.
    Er ging zurück in die Küche. Durch die Schiebetür hindurch hörte er die Professoren miteinander diskutieren, mehrmals fiel das Wort Apostel. Eisenhardt blieb stehen, die Hand am Türgriff. Nein, er konnte jetzt nicht zurück in diesen Raum gehen. Er konnte nicht so tun, als sei nichts gewesen. Nein.
    Er ging nach hinten in sein Schlafzimmer, ließ sich auf das Bett fallen und verschränkte die Arme über dem Gesicht. Nichts hören, nichts sehen. Alles ausblenden. Doch dann nahm er die Arme wieder weg und starrte an die Decke.
    Da war noch etwas. Irgend etwas war ihm an dem Gespräch der beiden Männer aufgefallen. Irgendein Satz war gefallen, der etwas in ihm ausgelöst hatte, eine Erinnerung, einen Gedankengang, irgend etwas, das in seinem Unterbewußtsein Wellen schlug. Er stützte sich auf die Ellenbogen und sah hinüber zu dem kleinen Schreibtisch, auf dem inzwischen fast alle Bücher lagen, die er vorne in den Schränken gefunden hatte. Lydia hätte gesagt, daß das typisch für ihn sei: All seine Schlafräume hatten die Tendenz, sich rasch in Bibliotheken zu verwandeln.
    Wie war das gewesen? John Kaun hatte die Visitenkarte des dürren Mannes aus Rom laut gelesen. Pater Scarfaro hatte er ihn genannt. Mitglied irgendeiner Kongregation… Hmm. Eisenhardt stand auf, stapelte ein paar Bücher umher und fand, was er suchte. Ein Buch über die römisch-katholische Kirche und den Vatikan. Er blätterte durch das Inhaltsverzeichnis, schlug die entsprechende Seite auf. Es gab insgesamt neun Kongregationen, oberste Verwaltungsorgane mit gesetzgebender und richterlicher Befugnis im gesamten Bereich der Kirche. Eisenhardt runzelte die Stirn. Die Lehre der Gewaltenteilung schien an der Kirche spurlos vorübergegangen zu sein. Er las weiter. Die Kongregation für die Glaubenslehre wurde praktischerweise als erste erörtert.
    In seinen Romanen hatte Eisenhardt oft beschrieben, wie Menschen in Momenten abgrundtiefen Erschreckens glauben, ihr Blut gefriere ihnen in den Adern. Nun erlebte er zum ersten Mal am eigenen Leib, wie sich das anfühlte. Hätte ihm in diesem Augenblick ein Totenskelett die Hand auf die Schulter gelegt und ihn ein verwester Schädel angegrinst, er hätte nicht mehr erschrecken können.
    Die Kongregation für die Glaubenslehre, stand da zu lesen, war eine uralte Organisation. Papst Gregor ix. hatte sie 1231 gegründet, also vor bald achthundert Jahren — doch nicht unter dem Namen, den sie heute trug. Bis zum Jahre 1908 hatte diese Organisation anders geheißen, hatte einen Namen getragen, der für Jahrhunderte voller Angst und Schrecken stand, für Feuer, Folter, Ströme von Blut, für das dunkle Mittelalter schlechthin. Er hatte nicht geahnt, daß diese Organisation immer noch existierte.
    Die Kongregation für die Glaubenslehre war der heutige Name der Heiligen Inquisition.

29
    DRINGEND — VERTRAULICH
    John, die Banken machen Druck wegen des Kursverfalls. Mr Sutherland von der First National will den Aufsichtsrat kommenden Mittwoch zu einer Sondersitzung einberufen. Offenbar steht Ihre Position als Vorstandsvorsitzender zur Debatte.
    S.
    DAS DURFTE NICHT wahr sein. Stephen starrte das schmale Stück Papier an, das der Quittungsdrucker des Bankautomaten eben ausgespuckt hatte, dann seine VISA-Karte.
    Limit exceeded, stand da.
    Der Automat, solide und uneinnehmbar in die Wand eines öffentlichen

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