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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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immerhin… Keine Ahnung. Dieses Land nimmt überhaupt kein Ende. Die ganzen letzten Tage bin ich mehr oder weniger durchgehend am Steuer gehockt und gefahren und gefahren, und wenn ich abends auf die Karte gesehen habe, waren es gerade ein paar Zentimeter. Unglaublich. Deutschland kann man an einem Tag durchqueren, können Sie sich das vorstellen?«
    »Sie sind aber hoffentlich nicht nur quer durch das Land gefahren, um dieses architektonische Meisterstück von einem Motel zu besuchen?«meinte Foxx.
    »Nein, eigentlich will ich an die Westküste. Es gab Tage, da kamen mir Zweifel, daß man die per Auto überhaupt erreichen kann. Ich habe einen Freund, der dort lebt und der mich eingeladen hat, ein paar Tage bei ihm zu wohnen. Er ist vor, na, fünfzehn Jahren ausgewandert, und wir haben uns vor zehn Jahren das letzte Mal gesehen. Ach, übrigens«, fiel ihm ein,»ich habe John Kaun getroffen.«
    »Was?«staunte Stephen.»Na so was. Und? Von dem hat man ja schon lange nichts mehr gehört, und davor nichts Gutes. Wie geht’s ihm denn?
    »Er schien sich zu freuen, als ich anrief, und lud mich ein, als ich sagte, daß ich die USA mit dem Auto durchqueren wolle. Er ist jetzt Chef einer Kartoffelchipsfabrik in Oklahoma, wohl das letzte Überbleibsel seines Konzerns, hat wieder geheiratet, hat ein Baby und sieht glücklich und zufrieden aus. Er trägt nur noch Jeans und Sweatshirts, können Sie sich das vorstellen?«
    »John Kaun? Ich glaube Ihnen kein Wort.«
    »Ich habe ihn auch fast nicht wiedererkannt.«
    »Woher hatten Sie seine Nummer? Ich meine, ausgerechnet in Oklahoma hätte ich ihn nicht gerade gesucht…«
    »Einer der Verlage, die wir besucht haben, gehörte früher zu Kaun Enterprises. Irgendwie kamen wir im Gespräch darauf. Ich sagte, daß ich John Kaun kenne, und als ich fragte, ob jemand wisse, was aus ihm geworden sei, gab man mir seine Telefonnummer. Anscheinend steht sie aber auch ganz normal im Telefonbuch.«Eisenhardt zuckte mit den Schultern.»Es scheint ihm wirklich gut zu gehen. Obwohl er wieder ein ganz gewöhnlicher Mensch ist.«
    »Wahrscheinlich muß man das sein, ehe es einem gutgehen kann«, meinte Stephen nachdenklich.»Wenn ich daran denke… Ich wollte mal so werden wie er. So wie er damals war, mächtig und reich und wichtig. Einer von den ganz Großen. Am Anfang, ehe ich die Kamera gefunden hatte, wollte ich mir hauptsächlich beweisen, daß ich schlauer und schneller bin als er, all seiner Macht zum Trotz. Verrückt, was?«
    »Na ja, ich weiß nicht«, meinte Eisenhardt und sah sich um.»Ein bißchen Ehrgeiz muß schon sein im Leben, finden Sie nicht?«
    »Sie wundern sich, was ich hier mache.«
    »Offen gestanden, ja. Als ich Sie das erste Mal getroffen habe, waren Sie eine Art Wunderknabe, ein vielversprechender Jungunternehmer mit mehr Geld auf dem Bankkonto, als ich jemals haben werde. Und jetzt führen Sie ein Motel im Niemandsland. Nicht gerade das, was man sich unter beruflichem Aufstieg vorstellt.«
    Stephen Foxx lächelte, zog ein Handtuch aus einer Schublade und fing an, Gläser abzutrocknen.»Oh, meine Firma existiert nach wie vor. So virtuell wie eh und je. Nächste Woche fliege ich mal wieder an die Ostküste und besuche ein paar Kunden, aber ansonsten agiere ich übers Internet, und da ist es völlig egal, wo ich lebe. Ich mache das hier nur vorübergehend — ein paar Monate. Das Motel gehört einem guten Freund von uns, der eine schwere Operation hatte und Zeit braucht, um wieder ganz auf die Beine zu kommen.«Er zuckte mit den Schultern.»Es hat sich so ergeben. Ich komme mehr und mehr dazu, Dinge so zu nehmen, wie sie sich ergeben. Man erlebt phantastische Sachen auf diese Weise.«
    »Na ja, das kann schon sein.«Eisenhardt legte die flache Hand auf die Theke.»Offen gestanden, ich dachte vorhin, daß das hier vielleicht das Hauptquartier der Video-Sekte ist.«
    Stephen lächelte dünn.»Es gibt kein Hauptquartier. Das wäre viel zu gefährlich — ob Sie es glauben oder nicht, die Kirche ist noch immer hinter dem Video her.«
    Plötzlich war Unruhe im Raum. Stühle scharrten über den Boden, als Leute aufstanden, nach ihren Taschen griffen und zur Tür drängten. Der Greyhound-Bus war angekommen. Man sah draußen Passagiere aussteigen und auf das Gepäck warten, das der Fahrer aus weit geöffneten Stauraumklappen verteilte.
    Stephen nutzte die Gelegenheit, rasch alles schmutzige Geschirr und alle Gläser von den Tischen einzusammeln, schnell darüberzuwischen, die

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