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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Speisekarten zurück in ihre Halterungen zu stecken und neue papierne Platzdecken aufzulegen. Diese Arbeiten verrichtete er, wie Eisenhardt mit Verwunderung feststellte, mit bemerkenswerter Hingabe. Als der Bus weiterfuhr und gleich darauf die ersten neuen Gäste das Restaurant betraten, sahen die verlassenen Plätze einladend frisch und neu aus, und Stephen stand schon bereit, um Bestellungen entgegenzunehmen.
    Judith kam wieder aus der Küche, um einen prüfenden Blick auf seinen Bestellblock zu werfen.
    »Nur Getränke«, meinte Stephen.»Komm, setz dich ein bißchen zu uns.«Zu Eisenhardt meinte er:»Die meisten steigen um in den Bus nach Los Angeles, der in zwanzig Minuten kommt.«
    »Was macht denn der da?«fragte Judith, während sie ihre Kittelschürze abnahm. Sie meinte einen schmalen Jungen mit lohblondem Haar, der in der glühenden Hitze mit einer dicken Umhängetasche und einem gewaltigen Kleidersack immer noch da stand, wo der Bus gehalten hatte.»Traut der sich nicht herein?«
    »Was sagen Sie denn zu dem Artikel?«richtete Eisenhardt die Frage, die ihn schon lange beschäftigte, an Stephen Foxx.
    »Welchem Artikel?«fragte der, während er an der Zapf anläge hantierte.
    »Dem Artikel von Uri Liebermann über das JesusVideo? Kennen Sie den etwa überhaupt nicht?«
    »Ich muß zugeben, nein. Liebermann, das ist dieser israelische Journalist, mit dem Sie zu tun hatten? Der uns im Kloster die Hubschrauber auf den Hals geschickt hat?«
    »Ja. In den letzten Jahren hat er sich zu einer Art Experte für die JesusVideo-Bewegung entwickelt. Eine Zeitlang war er ständig in irgendwelchen Talkshows zu Gast. Vor einem halben Jahr hat er einen großen Artikel über die Hintergründe des Videos veröffentlicht, der praktisch überall in Europa erschienen ist. Bei uns in Deutschland war er im Stern, und Reader’s Digest hat ihn auch gebracht.«
    »Ich muß zugeben, das ging an mir vorüber. Was schreibt der Experte denn?«
    Eisenhardt holte tief Luft. Es war keine angenehme Sache, jemandem die Illusionen zu nehmen, auf denen er sein Leben aufgebaut hatte.»Er hat eine Gruppe von Amateurschauspielern ausfindig gemacht, die ungefähr ein Jahr, ehe Professor WilfordSmith die Ausgrabungen in Bet Hamesh begonnen hat, im Auftrag eines unbekannten Auftraggebers ein Video in Israel produziert haben«, erklärte er grimmig.»Alle Beteiligten wurden zum Stillschweigen verpflichtet, und die wichtigste Bedingung war, daß alle Schauspieler Aramäisch lernen mußten.«
    »Aramäisch!?«wunderte sich Stephen und meinte zu Judith:»Der Zapfhahn für das Cola spinnt wieder.«
    »Der Techniker kommt morgen. Zumindest hat er das gesagt.«
    »Aramäisch«, bekräftigte Eisenhardt. Hörten die ihm zu? Oder setzte bereits die Verdrängung ein?»Die Sprache, die Jesus aller Wahrscheinlichkeit nach gesprochen hat.«
    »Ja, ist mir klar. Und was ist das für ein Video?«
    »Ihres.«
    Jetzt hielt er inne.»Wie bitte?«
    »Es ist das Video, das Sie in alle Welt verbreiten. Das Video, das wir bei Professor WilfordSmith gesehen haben.«Der Schriftsteller beugte sich vor, um nicht so laut reden zu müssen, weil einige der Gäste bereits zu ihnen herübersahen.»Verstehen Sie nicht? Es war alles inszeniert, von Anfang an. Ein großes Theater. Die ganze abenteuerliche Suche, die sogenannten Experten, die hinzugezogen wurden, all das sollte nur die Geschichte glaubhaft machen. Ich bitte Sie, es ist doch kein Problem, ein menschliches Skelett, das eine mit modernen Mitteln verheilte Fraktur aufweist, vor einer Ausgrabung an der richtigen Stelle zu verstecken. Oder die Gebrauchsanleitung einer Kamera, die erst demnächst auf de Markt kommen soll, zu erfinden und in einem Exemplar drucken zu lassen, um sie daneben zu legen. Es ist auch machbar, eine Radiokarbonanalyse fälschen zu lassen — man braucht nur den zu bestechen, der sie durchführt. Zwar ha-ben Sie mit Ihren Extratouren den ganzen Plan ziemlich durcheinandergebracht, aber inzwischen spielen Sie ja bestens mit. Trotzdem ist alles Lug und Trug — Liebermann weist das sehr überzeugend nach.«
    Stephen sah ihn nachdenklich an.»Ich glaube, ich weiß jetzt, wovon Sie reden. Einen Moment.«Er nahm das Tablett auf und trug die Getränke an die Tische. Als er wieder zu-rückkam, ging er daran, die nächste Ladung zu zapfen, und meinte dabei:»Das, was Sie meinen, ist das, was wir das Anti-Video nennen. Das ist ein Video, das ganz ähnliche Szenen zeigt wie das wirkliche, aber so stümperhaft

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