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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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imstande war und den Fluß des Schreibens in Bewegung. Aber das hier — unvermittelt kam ihm seine Situation wieder zu Bewußtsein, kehrte die ausgeblendete Realität zurück, der Wohnwagen, das Lager, die Schritte über Steine draußen, das erste Geschirrklappern aus dem Küchenzelt -, das hier war kein Roman. Er war allein, ungeschützt, ausgeliefert. Und er war nur ein schwacher, ungeschickter Schriftsteller, nicht James Bond.
    Wenn das ein Betrugsmanöver war, wer steckte dahinter?
    Kaun? Der junge Mann, der die Leinentasche gefunden haben wollte? Und wenn, was hatte er davon?
    Wie von selbst glitten seine Gedanken wieder in die Schienen kriminalistischen Denkens, die er aus Detektivgeschichten kannte. Wie waren die drei Voraussetzungen, die erfüllt sein mußten, um eine Tat plausibel zu machen? Möglichkeit, Gelegenheit — und Motiv.
    Motiv. Oha.
    Eisenhardt starrte blicklos vor sich hin. Dann legte er den Filzstift zurück in die Ablage, trennte das oberste Blatt des Flipchartblockes ab und riß es in kleine Stücke, bis er nur noch handtellergroße Schnipsel übrighatte, die er in den Mülleimer der Küche warf.
    Was er herausfinden mußte, war, welche wissenschaftliche Reputation Professor WilfordSmith genoß — ob er einen Ruf zu verlieren hatte oder einen zu gewinnen. Und er wußte auch schon, wen er fragen würde.

10
    Auf der Nordseite hat die Grube (512) eine graue Schicht (513) und eine Mauer (n) und auf der Südseite eine Anhäufung von vier Schichten (514)~(517) durchdrungen, von denen die zweitoberste eine ca. 0.07 m starke weiße Mörtelschicht (515) ist und die unterste (517) teilweise die Füllung einer weiteren Grube (518) bildet.
    Prof. Charles WilfordSmith Bericht über die Ausgrabungen bei Bei Hamesh KAUN ERWACHTE UND fühlte sich schwer, unendlich schwer, mehr wie ein Sack, der mit dickem, stinkendem Torf gefüllt war, als wie ein menschliches Wesen. Jeden Morgen fühlte er sich so. Der Morgen hatte sich für ihn zum schlimmsten Teil des Tages entwickelt, zu einer Phase, vor der er schon am Abend zuvor Angst hatte. Jeden Morgen fühlte er sich noch schwerer, noch träger, noch müder als je zuvor. Eines Tages würde er morgens aufwachen und es nicht mehr schaffen, sich überhaupt in Bewegung zu setzen.
    Das kam natürlich von den ganzen Pillen, die er schluckte. Wie hatte er seinem Arzt gegenüber gewitzelt?»Ist doch gut, eine große träge Masse zu haben. Wenn man sich dann einmal in Bewegung gesetzt hat, kann einen nichts mehr stoppen. Das ist das Geheimnis meines Erfolges!«Natürlich hatte der gute Doktor Leuven nur mühsam grinsen können. Wahrscheinlich war er ein zu guter Arzt, um sich solche Eskapaden seiner Schutzbefohlenen einzig unter finanziellen Aspekten anschauen zu können. Kaun konnte das nicht beurteilen. Für ihn war wichtig, daß Leuven ihm alles verschrieb, was er brauchte, und daß er den Mund hielt. Vor allem, daß er den Mund hielt.
    O mein Gott. Also, auf ein Neues. Er schaffte es, seine Hand in Bewegung zu setzen, immerhin ein Anfang, sie den Nachttisch erreichen zu lassen, und dort lag die Schachtel. Ein kleines Kästchen aus Silber, belegt mit Perlmutt. Das mußte schon sein für jemanden in seiner Stellung. Wenn schon die Pillen darin ärgerlich billig waren.
    Er widerstand der Versuchung, mehr als die drei zu nehmen, die Doktor Leuven ihm erlaubt hatte, schluckte sie ohne Wasser hinunter und wartete dann, daß sie ihre segensreiche Wirkung entfalteten. Ihn in Bewegung zu setzen. Das mit der trägen Masse war nur zur Hälfte ein Witz. Kinetische Energie, daran glaubte er tatsächlich. Das war das Geheimnis erfolgreicher Führung: man mußte schneller sein als die anderen, schneller und vor allem unbeirrbarer. Man mußte kinetische Energie haben. Man mußte jeden und alles überfahren, wenn es erforderlich war, und man mußte auch so wirken, als könne man jederzeit jeden und alles überfahren. Nur das verschaffte einem Respekt. Erfolgreiche Menschenführung war, in einem Satz, eine Frage purer Wucht.
    Er konnte spüren, wie die Tabletten wirkten. Ein warmes Gefühl wanderte durch seinen Körper, vertrieb die Schwere, ließ alles leicht und beweglich werden, nahm den Schleier von seinen Augen und löste den dumpfen Druck im Kopf in Wohlbefinden auf. Phantastische Pillen. Was Doktor Leuven nur dagegen einzuwenden haben mochte?
    Als er endlich auf dem Bettrand saß, merkte er, wie immer, daß das gute Gefühl eine sehr flüchtige, trügerische Angelegenheit war.

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