Das Jesus Video
Taxifahrer, während Kaun und WilfordSmith ihren neuen Gast zu dem weißen Zelt auf Areal 14 hinüberkomplimentierten.
Seit er mit dem Techniker gesprochen hatte, hatte Gideon angefangen, sich darüber Gedanken zu machen, was er und seine Kollegen da eigentlich zu bewachen hatten.
Normalerweise war ihm das egal. Sein Job war es, zu bewachen. Das hieß, die Augen offen zu halten und jederzeit bereit sein, einen Angreifer aufzuhalten oder, wenn es nicht anders ging, zu töten. Wenn er eine Person zu bewachen hatte, konnte das auch heißen, sich für diese Person verletzen oder töten zu lassen, aber diese erweiterte Form der Einsatzbereitschaft kam selten vor und wurde mit einer Extraprämie vergütet. Normalerweise bewachte er Industrieanlagen, Kommunikationseinrichtungen, Kulturdenkmäler oder Touristenzentren, aber er hatte auch schon Industrielle und Politiker bewacht, einmal sogar Yassir Arafat, den Präsidenten der Palästinenser, als dieser noch kein Präsident, sondern der Führer einer umstrittenen Bewegung gewesen war. Damals hatte er sich auch keine besonderen Gedanken über Sinn und Zweck seines Einsatzes gemacht; der Mann mit dem blauweißen Kopftuch war für ihn ein Schutzbefohlener wie jeder andere gewesen. Vielleicht hatte die Firma ihn deswegen für den Job ausgesucht. Er wurde oft für besondere Jobs ausgesucht, meistens deshalb, weil er recht gut Englisch sprach. Einmal war er Bodyguard einer amerikanischen Filmschauspielerin gewesen, die für zwei Tage durch Israel gereist war, und sie hatte ihn zum Abschied geküßt. Seither sah er sich jeden ihrer Filme an. Manchmal spielte auch eine Rolle, daß seine Reflexe legendär schnell waren. Das hatte man schon bei der Armee entdeckt und ihn deswegen zum Scharfschützen ausbilden lassen. Daß er besonders neugierig gewesen wäre, hatte ihm dagegen noch niemand nachgesagt.
Das war er auch jetzt nicht. Er machte sich eben so seine Gedanken. Er hatte den ganzen Tag vor einem der Zugänge zu dem weißen Zelt Wache gehalten, ohne auch nur auf die Idee zu kommen, einen Blick hineinzuwerfen. Denn man hatte ihnen gesagt, daß sie das nicht dürften. Und Gideon befolgte, was ihm gesagt wurde.
Aber er machte sich eben so seine Gedanken. Es war das erste Mal, daß er einen archäologischen Fund zu bewachen hatte. Aber an sich war das nichts Ungewöhnliches. Er hatte von anderen gehört, die einmal einen alten Goldschatz zu bewachen gehabt hatten, Münzen und Schmuckstücke aus der Zeit der alten Könige. Und archäologische Funde waren oft politisch in Israel. Jemand grub etwas aus, das jemand anderes als Beweis oder Widerlegung seiner politischen oder religiösen Überzeugungen betrachtete, und sofort war der Streit da.
Ja, doch, er hätte gern gewußt, was Bedeutendes in dem Erdloch gefunden worden war, über dem das Zelt stand. Und er tröstete sich damit, daß er es, wenn es wirklich bedeutend war, irgendwann aus der Zeitung erfahren würde. Und dann würde er den Artikel ausschneiden und mitnehmen in die Cafes, wo er sich mit seinen Freunden traf, und sagen: Da war ich! Ich habe Wache gestanden!
Abends beobachtete er, wie der englische Professor, der die Ausgrabungen leitete, und der Amerikaner, der, wie er gehört hatte, Multimillionär war und die Ausgrabung finanzierte, einen Besucher empfingen, den ein Taxi aus Tel Aviv gebracht hatte. Er hatte keine Ahnung, wer der Mann sein mochte. Er war groß, um die fünfzig, hatte einen grauen Bart und schien nicht wenig unter der Hitze zu leiden, jedenfalls wischte er sich in einem fort mit dem Anzugsärmel über die Stirn und den ziemlich kahlen Schädel, während alle drei den Weg über die Stege und Bretter nahmen, der zu diesem Zelt führte.
Vielleicht ein Wissenschaftler, überlegte Gideon und trat einen Schritt beiseite, damit die drei Männer ungehindert das Zelt betreten konnten.
»’erev tov«, murmelte der Professor, der hinter den anderen beiden ging, und nickte Gideon zerstreut lächelnd zu.»Toda.«
»Bevakasha«, erwiderte Gideon.
Guten Abend. Danke. Bitte. Gideon begriff, daß der Professor nicht wußte, daß er Englisch sprach. Der Professor, der eben dabei war, einem neuen, wichtigen Besucher seinen wertvollen Fund zu zeigen und zu erklären.
Gideon riß die Augen auf, als ihm klar wurde, was das hieß. Das hieß…
Nein. Das konnte er nicht machen.
Andererseits…
Man hatte ihnen verboten, hineinzusehen. Aber man hatte ihnen nicht gesagt, sie müßten sich die Ohren zuhalten.
Gideon
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