Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
Vom Netzwerk:
stand auf, und sie begaben sich zu der provisorischen Werkstatt, die sich der Uhrmacher eingerichtet hatte.
    Neben mir hatte Lucie das Notebook eingeschaltet. Sie wartete, bis der Rechner hochgefahren war, dann schob sie die CD-ROM in das Laufwerk. Ich setzte mich aufs Sofa, um ihr über die Schulter schauen zu können. François schob seinen Sessel neben ihren.
    Das junge Mädchen klickte auf Photoshop. Langsam öffnete sich das Programm. Dann wählte sie das CD-ROM-Laufwerk und klickte auf eine Datei mit dem Namen tab-af-ibi2.eps.
    Allmählich erschien das Foto auf dem Flachbildschirm des Notebooks. Man konnte darauf eine Platte aus grauem Stein erkennen, rechteckig, ihrem Zustand nach zu schließen sehr alt, und mehrere Buchstaben waren eingraviert.
    Es waren griechische Buchstaben. Ich zögerte keine Sekunde und fing an, die Buchstaben zu zählen.
    »Na so was!«, staunte ich. »Das ist seltsam. Ich zähle nur dreiunddreißig Buchstaben!«
    Ich zählte erneut. Aber ich hatte mich nicht getäuscht.
    »Und warum ist es seltsam? Weil Christus bei seinem Tod genauso alt war?«, fragte Lucie verwirrt.
    »Nein, das ist Unsinn. Nein, ich finde es deshalb seltsam, weil ich dachte, es wäre einer mehr. Sophie und Jacqueline meinten, dass man nach Melancolia vermuten könnte, dass der Code vierunddreißig Buchstaben habe, weil er vierunddreißig Positionen auf der Mona Lisa anzeigen würde.«
    »Der Code«, wiederholte Lucie, »aber das hier ist nicht der Code, das ist die verschlüsselte Botschaft! Der Code ist das, was seine Entschlüsselung ermöglicht!«
    »Ja doch, aber wenn vierunddreißig Elemente im Code dazu dienen, einen Text mit dreiunddreißig Buchstaben zu entziffern, ist das trotzdem seltsam.«
    »Es sei denn, das vierunddreißigste Element des Codes dient zum Beispiel dazu, die Zwischenräume zu kodieren«, erwiderte Lucie.
    »Was erklären würde, warum alle Buchstaben hintereinander auf der Platte stehen«, folgerte François. »Nicht übel!«
    Ich lächelte Lucie zu und besah mir die Buchstaben aus der Nähe. Es waren griechische Buchstaben. Ich erinnerte mich verschwommen an die Griechischstunden, die François und ich bis zur Vorbereitungsklasse besucht hatten, aber was hier geschrieben stand, ergab keinen Sinn.
    »Wie kommt es, dass es Griechisch ist?«, fragte Lucie.
    »Sophie zufolge war Griechisch zu Zeiten Jesu eine der gebräuchlichsten Schriftsprachen, auch wenn eher Aramäisch gesprochen wurde.«
    »Wie viele Buchstaben hat das griechische Alphabet?«
    »Vierundzwanzig«, erwiderte François.
    »Folglich umfasst der Code mehr Elemente als Buchstaben des Alphabets. Es ist also nicht einfach nur ein kodiertes Alphabet. Wenn wir annehmen, dass das vierunddreißigste Element des Codes etwas anderem entspricht als einem einzelnen Buchstaben, zum Beispiel den Zwischenräumen, dann bedeutet das also, dass der Code genauso viele Elemente umfasst wie Buchstaben in der Botschaft. Dreiunddreißig. Der Typ, der das verschlüsselt hat, war superintelligent!«
    »Ah, weißt du, dass du Jesus meinst …«
    Wir fingen alle drei an zu lachen. Trotz aller Anspannung konnten wir nicht anders, superintelligent im Zusammenhang mit Jesus, das klang einfach klasse.
    »Na ja, er war doch intelligent«, wiederholte Lucie und zog eine Grimasse.
    »Warum?«
    »Die beste Möglichkeit, eine Botschaft zu verschlüsseln, besteht darin, dass es pro Buchstaben einen Schlüssel gibt. Dadurch entsteht kein Zyklus, kein wiederkehrendes Motiv. Der Code ist offensichtlich genauso kompliziert wie der Text, was zur Folge hat, dass man selten einen langen Text auf diese Weise codiert, aber für eine Botschaft mit dreiunddreißig Buchstaben ist es ideal.«
    »Du willst damit sagen, dass jedes einzelne Element des Codes ein einzelner Schlüssel für jeden Buchstaben der Botschaft ist?«
    »Vermutlich«, bestätigte Lucie. »Es würde zum Beispiel genügen, dass es eine einfache Zahl ist. Eine Zahl pro Buchstabe, die die Position des Buchstabens im Alphabet angibt.«
    »Sag mal ein Beispiel.«
    »Ich kenne das griechische Alphabet nicht.«
    »Mit dem französischen Alphabet.«
    »Wenn ich zum Beispiel OUI verschlüsseln will. Die Botschaft besteht aus drei Buchstaben. Ich brauche also in meinem Code drei Elemente. Um es einfach zu machen, nehmen wir eins, zwei und drei. Also lautet die verschlüsselte Botschaft NSF.«
    »Ah, ich verstehe«, stimmte ich zu. »N plus eins ergibt O, S plus zwei ergibt U und F plus drei ergibt I. Und das

Weitere Kostenlose Bücher