Das Jesusfragment
aufgeregter.
»Möglich.«
»In welcher Sprache?«
»Ich weiß nicht, es sind keine Wörter, lediglich Buchstaben, aber sie ähneln am meisten dem griechischen Alphabet.«
»O verdammt. Äh, wie heißt du eigentlich richtig?«
»Lucie.«
»Lucie? Du bist die Beste!«
»Ja, aber ich sitze auch tief in der Scheiße! Ich habe mich erwischen lassen!«
»Und das heißt?«
»Ich konnte die Sicherungen ihres Servers rausdrehen, aber das hat Spuren hinterlassen. Ich weiß, dass es ihnen gelungen ist, mich zu erkennen. Ich habe meinen Computer zwar sofort ausgeschaltet, aber es war schon zu spät. Ich bin auf der Stelle von zu Hause abgehauen, aber wenn ich Pech habe, sind sie bereits dort.«
»Scheiße«, entfuhr es mir.
»Ja, Scheiße! Wirklich schlimm! Denn ich glaube kaum, dass diese Typen Spaß verstehen.«
Ich überlegte.
»Gut, mach dir keine Sorgen. Bis sich die Lage geklärt hat, werden wir dich ein paar Tage in Sicherheit bringen.«
»Vor diesen Typen werde ich niemals sicher sein«, rief sie und schlug auf den Tisch.
Die übrigen Gäste warfen uns empörte Blicke zu.
»Doch. Ich verspreche es dir. Wir werden eine Möglichkeit finden. Ich muss Sophie anrufen. Ich will, dass sie bei uns ist, wenn wir uns das Foto ansehen. Dann fahren wir nach Sceaux, zu meinem Freund.«
Badji begann laut zu lachen. Ich wandte den Kopf und begriff. Noch ein Gast für François und Estelle. Das uferte allmählich aus.
Aber ich hatte keine andere Wahl.
»Wer ist Ihr Freund?«, fragte das junge Mädchen ängstlich.
»Mach dir keine Sorgen. Er ist Abgeordneter. Er kann sich bestimmt um deine Sicherheit kümmern. Lebst du allein?«
»Klar doch.«
»Gut. Ich rufe Sophie an.«
Ich wählte ihre Nummer. Wieder nur ihr Anrufbeantworter.
»Scheiße! Ich versuch es im Sender. Sie wollte ihren Chefredakteur besuchen.«
Ich rief die Auskunft an und bekam die Nummer für den Fernsehsender. Man verband mich mit der Redaktion von 90 Minutes .
»Guten Tag, ich würde gern den Chefredakteur sprechen.«
»Bleiben Sie dran.«
Ich hörte die übliche Wartemusik. Ungeduldig trommelte ich mit den Fingern auf den Tisch. Endlich kam der Journalist an den Apparat.
»Hallo?«
»Guten Tag, hier spricht Damien Louvel. Ich bin …«
»Ich weiß, wer Sie sind«, unterbrach er mich. »Wissen Sie, wo Sophie ist?«
Er wirkte besorgt.
»Ist sie nicht bei Ihnen?«
»Wir waren vor zwei Stunden verabredet, und ich warte immer noch auf sie.«
Auf der Stelle erfasste mich Panik. Das war eindeutig. Sophie war etwas zugestoßen. Ich konnte nicht mehr reden. Mein Herz schlug zum Zerspringen.
»Sie … Sie haben nichts von ihr gehört?«, stotterte ich.
»Nein. Seit zwei Stunden versuche ich verzweifelt, sie zu erreichen!«
»Scheiße!«
»Hören Sie, machen Sie sich nicht zu viel Sorgen, es wäre nicht das erste Mal, dass sie sich verspätet. Ich muss jetzt leider außer Haus. Bitte, informieren Sie mich, wenn Sie mehr wissen.«
Ich wagte nicht, ihm zu sagen, dass dieses Mal ganz bestimmt etwas passiert war.
»Einverstanden«, erwiderte ich lakonisch und beendete das Gespräch.
Badji musterte mich. Er wartete darauf, dass ich ihm sagte, was er tun soll. In seinem Blick las ich Schuldgefühle.
»Ich hätte niemals zulassen dürfen, dass Sie sich trennen«, schimpfte er.
Aber ich hörte ihn kaum. Ich dachte nach. Was sollte ich tun? Wohin gehen? Die Bullen benachrichtigen? Ich fühlte mich unfähig, den geringsten Entschluss zu fassen. Ich war völlig kopflos. Ich hielt mein Handy fest umklammert und schlug mit der Antenne auf den Tisch, wie um meine Angst rhythmisch zu untermalen.
Das junge Mädchen kaute an den Fingernägeln, und wagte nicht, etwas zu sagen. Wir hatten beide enorm große Angst.
»Was macht man in einem solchen Fall?«, fragte ich Badji. »Ruft man die Bullen? Fragt man die Krankenhäuser?«
»Wollte sie mit dem Taxi oder mit der Metro in die Redaktion fahren?«, erkundigte sich der Bodyguard nachdenklich.
Ich hatte keine Zeit, ihm zu antworten, denn mein Telefon klingelte. Chevaliers Nummer erschien auf dem Display.
»Damien?«
»Ja?«
»Sie haben Sophie entführt!«, schrie François am anderen Ende der Leitung.
»Wer sind sie? Wann? Wie hast du es erfahren?«
»Ich weiß nicht, wer sie sind«, erwiderte Chevalier. »Sie haben auf Claire Borellas Handy angerufen. Sie sagten, sie haben Sophie. Sie wollen den Stein von Iorden. Glaubst du, dass sie bluffen? Ist Sophie nicht bei dir?«
Er redete wie gehetzt.
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