Das Jesusfragment
ergibt OUI. Man verschiebt die Buchstaben im Alphabet. Kapiert.«
»Genau. Jeder Buchstabe wird mit einer Zahl verbunden. Wir haben also dreiunddreißig Buchstaben in der verschlüsselten Botschaft und dreiundreißig Chiffren im Code.«
»Ja, außer dass wir vierunddreißig haben.«
»Wir können sowieso nichts machen, solange wir die Maschine nicht haben.«
Aber wir waren dem Ziel so nah, alles war da, in Reichweite. Die Maschine und folglich bald der Code, und die Botschaft. Ich konnte es nicht glauben. Eine Botschaft, die zweitausend Jahre lang geheim gehalten wurde.
Ich betrachtete meine beiden Leidensgenossen. Diesen ungewöhnlichen Abgeordneten und dieses junge Mädchen, das zu schnell erwachsen geworden war.
»Versprecht mir eines«, bat ich sie mit unsicherer Stimme.
»Ja?«
»Wir warten auf Sophie. Wenn wir den Code haben, entziffern wir die Botschaft nicht sofort. Wir warten auf Sophie. Das sind wir ihr schuldig.«
»Ich verstehe«, versicherte Lucie.
»Selbstverständlich!«, rief François.
Lucie schloss die Datei, holte die CD-ROM heraus und reichte sie mir.
»Bitte, Sie beide müssen das zusammen machen.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Auf jeden Fall habe ich eine Kopie, ich bin doch nicht verrückt«, fügte sie hinzu und zog eine Grimasse. »Wenn Sie beschließen, das Ganze für sich zu behalten, garantiere ich nicht dafür, dass ich lange warten werde.«
»Mach dir keine Sorgen, wir haben versprochen, dass wir dir alles sagen werden. Und das werden wir, ganz bestimmt.«
Ich stand auf und steckte die CD-ROM in meine Manteltasche.
»François«, sagte ich, als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte, »wir müssen uns etwas einfallen lassen, um Lucie zu beschützen.«
Der Abgeordnete nickte zustimmend.
»Ja. Ich habe nachgedacht. Es tut mir Leid, Damien, aber du hast nur noch bis heute Abend Zeit, deine Angelegenheit zu regeln. Und was auch geschehen mag, morgen werden wir die Behörden informieren. Es ist wirklich zu gefährlich.«
Ich nickte resigniert.
»Wir werden alles der Polizei erklären müssen, und auch den Gendarmen in Gordes. Und auf die eine oder andere Art müssen wir sogar den Vatikan warnen. Sie werden richtig aufräumen müssen! Ich vermute, wenn herauskommt, was sich bei Acta Fidei im Geheimen abspielt, werden nicht alle im Vatikan das sehr katholisch finden.«
»Sicher nicht. Inzwischen müssen wir uns etwas einfallen lassen, um Sophie da rauszuholen!«
Ich nahm wieder auf dem Sofa Platz, und fast eine Stunde lang blieben wir still sitzen, tauschten nur ein paar Worte, nur ein paar Blicke aus. Die Sekunden vergingen und mit ihnen meine letzten Fünkchen Geduld.
Dann, am Nachmittag, stürzte Claire plötzlich ins Wohnzimmer und hielt ihr Handy hoch.
»Es klingelt«, rief sie.
Ich fuhr zusammen. François erhob sich. Hinter der jungen Frau tauchte Estelle auf. Das Telefon klingelte weiter.
»Wollen Sie antworten?«, fragte Claire und hielt mir das Handy hin.
Ich nickte und griff nach dem Telefon.
»Hallo?«, meldete ich mich etwas überhastet. »Hallo?«
Ich war mit den Nerven am Ende.
»Monsieur Louvel?«
»Wo ist Sophie?«, schrie ich wütend. »Sie hat nichts damit zu tun! Lassen Sie sie in Ruhe!«
»Heute Abend, zweiundzwanzig Uhr, am Grab von Michelet. Bringen Sie den Stein oder sie stirbt.«
»Aber ich habe …«
Ich hatte keine Gelegenheit, meinen Satz zu beenden. Mein unbekannter Gesprächspartner hatte aufgelegt.
Ich ließ mich wieder aufs Sofa fallen und vergrub den Kopf in den Händen.
»Was haben sie gesagt?«, drängte mich Badji, der vor mir stand.
»Heute Abend, zweiundzwanzig Uhr, am Grab von Michelet«, stammelte ich.
»Wo liegt er begraben?«, erkundigte sich Badji unbeholfen.
»Auf dem Père-Lachaise.«
»Der Père-Lachaise ist um diese Zeit geschlossen«, stellte Badji fest.
»Zweifellos haben sie ihn deshalb als Treffpunkt gewählt.«
»Wir müssen also über die Mauer klettern«, bemerkte er.
»Ich frage mich, weshalb sie ausgerechnet den Père-Lachaise gewählt haben. Das ist doch ein bisschen merkwürdig, oder? Ich hätte eher mit einer alten stillgelegten Fabrik in einem Vorort gerechnet, oder nicht?«
»Nein«, erwiderte Badji. »Nachts ist niemand auf dem Friedhof, abgesehen vielleicht von ein paar durchgeknallten Punks. Man kann dort schlecht um Hilfe rufen. Und überall gibt es Hindernisse, lauter Stellen, an denen man sich verstecken kann. Das scheint mir logisch.«
»Was mir Sorgen macht«, unterbrach ich ihn, »ist vor
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