Das Jesusfragment
allem die Tatsache, dass wir den Stein nicht haben!«
»Sie werden sich mit dem Code begnügen müssen«, sagte François. »Oder wir rufen gleich die Polizei.«
»Vergiss es!«, fauchte ich ihn an. »Damit wäre sie ganz sicher tot. Nein! Wir gehen zu dem Treffen, wir erklären ihnen, dass wir den Code haben, aber nicht den Stein, und wir beten, dass sie sich damit begnügen werden.«
»Ist das dein Plan?«, fragte François. »Beten?«
»Weißt du was Besseres?«
Er schüttelte den Kopf. Ich wandte mich an Estelle.
»Wie weit ist der Uhrmacher?«
»Er kommt voran, ist aber noch nicht fertig!«
»Ich weiß nicht einmal, was genau man mit dieser verdammten Maschine machen soll. Ich muss Jacqueline anrufen!«
Ich griff nach meinem Handy und rief Sophies Freundin an. Ich beschrieb ihr die Lage und versuchte, meine Angst zu verbergen. Natürlich geriet sie sofort in Panik, aber ich erklärte ihr, dass wir keine Zeit hatten, uns aufzureiben, sondern handeln mussten.
»Gut, ich brauche also diesen verdammten Code bis heute Abend. Was mache ich mit der verdammten Mona Lisa? Bist du vorangekommen?«
Obwohl ich Jacqueline erst zwei Mal gesehen hatte, war sie mir vertraut wie eine alte Bekannte. Als hätte Sophie mir die ganze Wertschätzung übertragen, die sie der mathematisch gebildeten Kunsthistorikerin entgegenbrachte.
»Ja. Ich komme voran. Ich bin nur nirgends sicher. Aber wir werden es versuchen. Du musst also die Mona Lisa senkrecht hinstellen, genau 52,56 Zentimeter von der Maschine entfernt.«
»Wie viel?«, rief ich.
»52,56 Zentimeter. Das ist eine Elle. Zu Dürers Zeiten rechnete man nicht in Metern.«
»Wie hast du das rausgefunden?«
»Willst du es wirklich wissen? Es ist kompliziert.«
»Versuch es einfach«, forderte ich sie auf.
»Also das magische Viereck: Abgesehen davon, dass seine waagrechten, senkrechten und diagonalen Summen immer vierunddreißig ergeben, weist es auch auf Koordinaten innerhalb des Kupferstichs hin. Diese Koordinaten beziehen sich auf Gegenstände oder Zeichen, die eine Art Satz ergeben, der, wie ich vermute, die Gebrauchsanweisung für die Maschine ist. Ich bin mir nicht wirklich sicher, ob ich richtig liege, aber es scheint Sinn zu ergeben, was immerhin nicht übel ist. Wir haben sowieso keine andere Wahl.«
»Okay.«
»Es gibt also zwei Koordinaten, die, wenn ich es richtig verstanden habe, den Abstand anzeigen, in dem sich die Mona Lisa befinden muss: Die erste fällt erwartungsgemäß auf das I von Melancolia I und die zweite auf den Ellbogen der Figur. I und Ellbogen ergeben, wenn ich richtig rechne, eine Elle, also 52,56 Zentimeter.«
»In Ordnung. Es ist ein wenig an den Haaren herbeigezogen, aber wir versuchen es.«
»Kannst du etwas Besseres vorschlagen?«
»Nein«, gestand ich kleinlaut.
»Dann müssen wir meiner Interpretation vertrauen. Wir werden ja sehen. Pass auf, das Gemälde muss absolut senkrecht und genau 52,56 Zentimeter von der Maschine entfernt stehen, gegenüber dem Kegel, der aus dem kleinen Gehäuse herausragt.«
»Warte! Ich geh in die Werkstatt«, erklärte ich und verließ das Wohnzimmer. »Die Maschine ist noch nicht fertig, aber ich kann ja das Bild schon hinstellen. Nach dem Brand ist es nicht gerade in gutem Zustand, aber ich hoffe, es funktioniert trotzdem!«
Ich betrat die Werkstatt und begrüßte den Uhrmacher, der mir einen verblüfften Blick zuwarf. Ich hatte keine Zeit, ihm irgendetwas zu erklären oder ihm ein paar freundliche Worte zu sagen.
Als ich mich umwandte, sah ich, dass alle anderen mir gefolgt waren. Der Platz würde aber nicht reichen.
»Alle raus!«, befahl ich. »Außer Lucie!«
Sie war am besten geeignet, mir in dieser Sache zu helfen.
»Jacqueline, leg nicht auf, ich gehe mir ein Headset holen, dann kann ich tun, was du mir sagst, während ich mit dir telefoniere.«
Ich verließ die Garage, holte Badjis Kopfhörer aus dem Auto und schloss ihn an mein Handy an. Dann klemmte ich das Handy an meinen Gürtel und kehrte in die Garage zurück.
»Alles klar, da bin ich wieder. Also, du sagst, ich soll das Bild in einer Entfernung von 52 Zentimetern vor die Maschine stellen?«
»Genau 52,56 Zentimeter.«
»In welcher Höhe?«
»Die Unterkante des Gemäldes muss sich unbedingt waagrecht zur Unterkante des ersten Spiegels befinden …«
»Wie kann ich das einrichten?«
»Weiß ich nicht. Mit einem Lineal und einer Wasserwaage oder einem Bleilot.«
»Das müsste alles zu finden sein, schließlich bin
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