Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
Vom Netzwerk:
von Furne gegen wertlose Taschenbücher zu tauschen? Das hier war nicht die Bibliothek eines Sammlers, sondern die eines Studenten oder Forschers. Hier spielte die Ausgabe keine Rolle, lediglich der Text zählte. Und das schien mir umso seltsamer, als das Studienobjekt offensichtlieh mit Esoterik zu tun hatte. Aber das war noch nicht das Erstaunlichste in dieser unterirdischen Bibliothek.
    Nachdem ich fassungslos in einigen Büchern geblättert hatte, entdeckte ich rechts von mir in einer Ecke des Kellers ein lang gestrecktes, höchst seltsames Gebilde aus Holz. Ich hatte so etwas noch nie gesehen, es erinnerte entfernt an ein sonderbares Messgerät oder an ein unvollendetes, altertümliches Astronomieinstrument. Das Ganze hatte die Größe eines mittleren Möbelstücks und reichte mir bis zur Brust. In der Mitte des Gebildes schien ein durchbrochenes Gehäuse dank einiger abgestufter Holzbögen, die sich darunter kreuzten, in alle Richtungen gleiten zu können.
    Ich näherte mich staunend diesem rätselhaften Gebilde und legte die Hand auf das Gehäuse. Man konnte es tatsächlich senkrecht und waagrecht gleiten lassen. Und in seinem Innern verbarg sich ein kompliziertes Netz aus Glas und Spiegeln.
    Ich trat benommen einen Schritt zurück und ließ mich auf einen Stuhl in der Mitte des Kellers fallen. Dann rieb ich mir die Augen, um sicher zu gehen, dass ich nicht träumte. Hatte ich mich im Haus geirrt? Unmöglich. Ich hatte das Gefühl, zu halluzinieren und war darauf gefasst, plötzlich die vergnügten Anstifter dieser Geschichte mit einer versteckten Kamera auftauchen zu sehen. Doch alles entsprach ganz und gar der Wirklichkeit. Mein Vater hatte nicht nur ein Haus im Vaucluse gekauft, sondern auch eingeschlossen in einem Keller sehr seltsame Forschungen betrieben, sich Notizen über Hunderte von Büchern gemacht, bevor er bei einem sinnlosen Autounfall ums Leben kam! Ganz zu schweigen von diesem rätselhaften Holzgehäuse, das die Erfindung eines monomanischen Genies wie Jules Verne hätte sein können. Meine Leichtgläubigkeit wurde durch die Wirklichkeit auf eine harte Probe gestellt. Ich hatte genügend idiotische Drehbücher in meinem Leben geschrieben, um zu begreifen, dass es sich hier um die schlichte Wahrheit handeln musste. Und wenn ich nicht träumte, würde es eine Erklärung dafür geben.
    Nachdem sich meine erste Überraschung gelegt hatte, begann ich wie irre zu lachen, was in dem Keller seltsam widerhallte und mein Unbehagen und meine Einsamkeit unterstrich. War mein Vater demenzkrank vor sich hingedämmert? Hatte er sich von einer Sekte oder einer pseudo-esoterischen Geheimgesellschaft verführen lassen? Ich hätte mir gern eingeredet, dass er sich vollkommen unschuldig über eine Sache ein wenig informieren wollte, aber der Zustand dieses Kellers zeugte von Besessenheit und Eifer, die eher nach Fanatismus als nach Neugier aussahen. Allmählich glaubte ich, dass mein Vater den Verstand verloren und sich der Macht von okkulten Analogien hingegeben hatte, in denen Geschichte und Mythen in einem Wust von Widersprüchen, Lügen und mehr oder weniger willkürlichen und verzerrten Illusionen miteinander verschmolzen.
    Ich näherte mich erneut einem der beiden provisorischen Tische und versuchte, ein Notizheft meines Vaters zu entziffern. Anfangs konnte ich das Geschriebene nicht lesen. Zwar erkannte ich seine Schrift, aber nicht die Sprache, die er benutzte. Doch dann begriff ich.
    Die Notizen waren rückwärts geschrieben worden. Wohl auf Französisch, aber von rechts nach links. Jetzt hatte ich keinen Zweifel mehr: Mein Vater hatte wirklich den Verstand verloren. Mühsam entzifferte ich ein paar verworrene, abgekürzte Zeilen, entdeckte zwei bis drei regelmäßig wiederkehrende Worte, als über mir plötzlich geräuschvoll das Gartentor geöffnet wurde.
    Das Knirschen ließ mich zusammenzucken, ich legte das Notizheft beiseite, um durch die Luke zu erspähen, wer hier ohne Vorwarnung eintrat. Ich erkannte zwei in schwarze Mäntel gehüllte Gestalten, die mir für diese Jahreszeit etwas zu dick angezogen vorkamen. Die Entdeckung des Kellers hatte mich in eine seltsame Welt gestürzt, die meine Paranoia nährte, und ich erhob mich lautlos mit zitternden Händen.
    Als die Haustür langsam geöffnet wurde, ohne dass jemand geläutet hatte, verstärkte das meine Angst, und ich verharrte reglos unter der Treppe. Dann hörte ich das Geräusch von Schritten, die sich der Tür über mir näherten. Waren es

Weitere Kostenlose Bücher