Das Jesusfragment
Hause!«, wiederholte sie.
»Und Ihre Notizen?«
»Sind alle auf meinem Laptop, im Kofferraum.«
»Und mein Computer?«, rief ich empört. »Er ist noch im Haus!«
Sie zuckte die Schultern.
»Meine Drehbücher!«, protestierte ich.
»Sie werden Ihren Agenten einfach bitten, sie Ihnen per Mail zu schicken!«
»Und mein Motorrad?«, fuhr ich fort, wobei meine Verzweiflung immer größer wurde.
Langsam spielte ein Lächeln um ihre Mundwinkel.
»Das ist nicht lustig«, beschwerte ich mich, »wenn wir mein Motorrad genommen hätten, wären wir ihnen viel leichter entwischt!«
Sie begann zu lachen. Und bald stimmte ich in ihr Lachen ein. Plötzlich ließ die Spannung nach. Ich verspürte sogar Lust loszubrüllen.
»Sie brauchen doch nur jemanden zu beauftragen, es abzuholen.«
Ich seufzte.
»Sophie, ich weiß nicht, wie wir aus dieser verdammten Situation wieder rauskommen! Die beiden Typen, die uns verfolgt haben, sind vermutlich tot, Ihr Haus steht sperrangelweit offen, wir haben uns ohne Vorwarnung aus dem Staub gemacht, das heißt, selbst ein Blinder sieht, dass wir in der Bredouille stecken! Die Polizei wird uns verfolgen.«
»Alles zu seiner Zeit. Zuerst einmal versuchen wir, am Leben zu bleiben, einverstanden? Dann kümmern wir uns um die Polizei. Und vielleicht ist das sogar ein guter Grund, hier nicht weiter rumzuhängen. Wie Sie richtig bemerkten, werden sie uns verfolgen, aber wir müssen gründlich nachdenken.«
»Sophie, wir stecken tief in der Scheiße!«, sagte ich.
»Lieber in der Scheiße als im Grab. Diese beiden Typen wollten uns töten!«
Sie griff nach dem Lenkrad und fuhr los.
Ich grub mich tiefer in meinen Sitz und griff mir an die Schläfen. Sie hatte auf alle Fälle Recht. Wir hatten keine andere Wahl. Aber es war schwer zuzugeben.
Ich rieb mir den Nacken, dann warf ich einen Blick auf Sophie. Die Frau, die mir soeben das Leben gerettet hatte. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn, aber sie war schön, einfach schön im Licht des Armaturenbretts.
»Danke«, murmelte ich.
Sie lächelte und griff nach meiner Hand, nur einen ganz kurzen Augenblick. Ich fühlte mich sehr verletzlich.
»Wo haben Sie eigentlich so fahren gelernt?«
Sie wandte mir den Kopf zu und schaute mir direkt in die Augen.
»Im Libanon. Aber das erzähle ich Ihnen ein andermal.«
Dann schaute sie wieder auf die Fahrbahn.
»Sind Sie sicher, dass Sie direkt nach Paris zurückfahren wollen? Es ist jetzt fast drei Uhr morgens. Ihr Wagen ist ramponiert. Es sind mehr als acht Stunden Fahrt. Halten Sie das durch?«
»Wir werden Pausen machen, Kaffee trinken. Und mein Auto hat schon andere Dinge überstanden.«
Ich beobachtete sie voller Staunen. Sophie wusste immer auf alles eine Antwort. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie mich wie einen kleinen Jungen behandelte. Wahrscheinlich hatte sie damit gar nicht so Unrecht. Auf jeden Fall wurde sie mit jeder Situation viel besser fertig als ich.
»Gibt es in diesem Wagen einen CD-Player?«
Sie deutete auf das Handschuhfach. Darin befand sich ein eingebautes Autoradio und ein paar CDs.
»Supertramp, Led Zeppelin, Barbra und … Grease«, las ich laut vor. »Nicht gerade viel, aber immerhin abwechslungsreich. Ich könnte etwas Musik gebrauchen. Fangen wir mit Led Zep an?«
»Alles andere hätte mich gewundert!«, spottete sie.
»He, das sind immerhin Ihre CDs!«
»Na und? Ich habe das Recht, es witzig zu finden, dass Sie gerade diese auswählen«, beharrte sie.
»Warum ist das witzig?«
»Weil Sie genau der Typ sind, der Led Zeppelin hört. Ich könnte wetten, dass Sie die komplette Sammlung von Deep Purple, Black Sabbath, Rainbow und der ganzen Clique besitzen!«
Ich zog eine Grimasse.
»Nein, mir fehlt eine CD von Black Sabbath. Stört Sie das?«, fragte ich etwas gereizt.
»Keineswegs. Ich habe schließlich eine CD von Led Zep in meinem Auto! Aber das Klischee mit der Harley Davidson und dem Hard Rock, das stimmt eben, nicht wahr?«
»Ich höre nicht nur Hard Rock!«, verteidigte ich mich. »Ich mag auch Genesis und Pink Floyd, Higelin, Brassens. Mein Geschmack ist sehr vielseitig!«
»Und sehr modern!«, mokierte sie sich.
»Sie haben gut reden! Die modernste CD in Ihrem Wagen ist Supertramp!«
»Das stimmt. Ah, wir gehören schon einer traurigen Generation an, nicht wahr? Aber ich habe ein paar neuere in meinem Koffer. Der ist allerdings in Gordes.«
»Keine Chance!«
»Also los, legen Sie Zeppelin ein«, beendete sie die Diskussion und ich
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