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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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der Telefonnummer von Christian Borella. Zum Glück war sein Name nur einmal in Paris verzeichnet, doch leider stand er auf der roten Liste.
    Allein kam ich vermutlich nicht weiter, ich brauchte Sophies Hilfe und die ihres Kontaktmanns beim Verfassungsschutz. Bis zwanzig Uhr blieb mir noch Zeit für ein paar weitere Telefonate und ich entschied mich dafür, eine alte Spur wieder aufzunehmen, die Sophie und ich ein wenig vernachlässigt hatten. Der Priester in Gordes.
    Über die Auskunft erfuhr ich die Nummer des Pfarrhauses und beschloss, ihn anzurufen. Zu viele Fragen waren nach unserer letzten Begegnung offen geblieben.
    Nach dem zweiten Läuten nahm er ab.
    »Guten Tag, Hochwürden. Hier spricht Damien Louvel.«
    Ich hörte, wie er seufzte.
    »Guten Tag«, erwiderte er zögernd.
    »Störe ich Sie?«, fragte ich, obwohl seine Reaktion eindeutig war.
    »Ja.«
    Das war immerhin eine klare Antwort.
    »Tut mir Leid, Hochwürden, aber …«
    »Sie wissen sicher, dass Sie von der Gendarmerie gesucht werden?«
    »Unter anderem. Schon –«
    »Das ist alles, was Sie dazu zu sagen haben?«
    »Sagen wir mal so, das steht auf meiner Prioritätenliste nicht an erster Stelle. Es tut mir Leid, dass ich Sie störe, aber Sie müssen zugeben, dass Sie bei unserer letzten Begegnung die Unterhaltung etwas brüsk beendet haben.«
    »Stellen Sie sich vor, ich packe gerade meine Sachen«, entgegnete er empört.
    »Sie verreisen?«, fragte ich verwundert.
    »Ja.«
    »Wohin?«
    »Nach Rom.«
    »Wie bitte?«, rief ich.
    »Ja. Nach Rom. Ich bin versetzt worden, Monsieur Louvel.«
    »Nach Rom versetzt? Aha, das ist aber eine beachtliche Beförderung!«
    »Nicht wirklich, nein. Ich liebe die Gemeinde von Gordes und hätte gern bis an mein Lebensende hier gewirkt. Nein, Monsieur Louvel, das ist wirklich keine Beförderung. Eher ein Abstellgleis.«
    »Ach. Und Sie können nicht ablehnen?«
    Er seufzte wieder und versuchte, seine Stimme ruhig zu halten.
    »Natürlich nicht!«
    »Ach so, ich kenne mich nicht allzu gut im Arbeitsrecht des Klerus aus«, bemerkte ich spöttisch.
    »Ich bin versetzt worden, das ist alles. Ich reise ab.«
    Das verschlug mir die Sprache. Der Priester war in einer deutlich aufgedrehten Stimmung und das fand ich beinahe komisch.
    »Glauben Sie, man hat Sie versetzt, um Sie … zum Schweigen zu bringen?«
    »Kein Kommentar.«
    Ich hörte das Geräusch eines Feuerzeugs. Der Priester zündete sich eine Zigarette an. Es wurde immer besser.
    »Wissen Sie, wer Ihre Versetzung verlangt hat?«
    Einen Augenblick schwieg er. »Nein. Man weiß nie, von wem so etwas kommt.«
    Ich wagte einen Versuch. »Und wenn ich sagen würde, ich weiß, von wem es kommt?«
    »Wie das?«
    »Ich weiß genau, wer Ihre Versetzung gewollt hat und weshalb. Ich könnte Ihnen mehr darüber sagen, aber Sie haben mir auch einiges über meinen Vater zu sagen, nicht wahr?« Wieder ein verlegenes Schweigen.
    »Vielleicht«, gab er schließlich zu.
    Ich ballte die Fäuste. Jetzt wurde es interessant.
    »Hören Sie, Hochwürden, ich glaube, wir sollten uns in aller Ruhe darüber unterhalten. Könnten Sie einen oder zwei Tage frei nehmen und nach Paris kommen?«
    Er zögerte.
    »Warum nicht.«
    »Schreiben Sie sich meine Telefonnummer auf. Aber geben Sie sie auf keinen Fall weiter. Rufen Sie mich an, wenn Sie in Paris sind. Und passen Sie gut auf sich auf.«
    »Was ist mit der Polizei?«
    »Sie sind nicht dazu verpflichtet, ihnen zu berichten, dass wir miteinander telefoniert haben.«
    »Natürlich nicht. Das Beichtgeheimnis, mein Sohn«, erwiderte er und legte er auf.

Acht
    D as Restaurant Pré Carré im Hotel Splendid verfügte über eine gediegene Atmosphäre, in der man sich ungestört unterhalten konnte. Mein Problem bestand nur darin, dass es zwanzig Uhr dreißig war und weit und breit von Sophie nichts zu sehen war. Nachdem ich eine halbe Stunde auf sie gewartet hatte, empfand ich nicht nur Widerwillen gegen die Pistazien, die mir die Kellnerin gebracht hatte, sondern machte mir inzwischen ernsthaft Sorgen.
    Ich malte mir hunderte von Katastrophenszenarien aus, in denen Sophie von den Bluthunden der einen oder anderen Gruppe unserer hartnäckigen Verfolger niedergeschossen wurde. Ganz zu schweigen von der immer wahrscheinlicher werdenden Möglichkeit, dass die Polizisten sie am Ausgang des Internetcafés festgenommen hatten. Ich traute mir nicht zu, unsere Geschichte allein zu bewältigen. Ohne Sophie war ich verloren. Ich brauchte sie, ihren Mut,

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