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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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ihre Entschlossenheit, ihr Lächeln.
    Ich wollte mir gerade einen zweiten Whisky bestellen, als ich voller Erleichterung Sophies Gestalt durch das Restaurant auf mich zukommen sah.
    Am Glanz ihrer Augen erkannte ich, dass ihr nichts Böses geschehen war.
    »Tut mir Leid, dass ich mich verspätet habe. Ich war so vertieft in meine Übersetzung, und ich hatte die Leute vom Sender am Telefon, sie werden allmählich unruhig.«
    Sie nahm mir gegenüber Platz. Die bläulichen Reflexe der unauffälligen Deckenlampen erhellten ihre Stirn wie ein Sonnenstrahl, der durch ein Kirchenfenster fällt. Die Beleuchtung im Pré Carré hatte etwas Märchenhaftes mit der Decke in Meerblau, der bernsteinfarbenen Holztäfelung und den hellen Wandflächen dahinter. Schmale, holzverkleidete Raumteiler schirmten uns von den Nachbartischen ab und vermittelten uns das Gefühl, allein zu sein. Der Tisch war wundervoll mit Silberbestecken, Kristallgläsern und echtem weißen Porzellan gedeckt. Sophie fuhr nervös mit ihrer Hand über die Tischdecke. Offensichtlich wollte sie mir unbedingt von ihren Entdeckungen erzählen, bat mich aber, anzufangen.
    »Ich glaube, die Bullen sind uns auf den Fersen. Vor dem Internetcafé standen zwei Polizeiautos.«
    »Tatsächlich? Sind Sie sicher?«
    »Ich habe sie natürlich nicht gefragt, sondern bin stattdessen durch den Hinterausgang geflohen. Aber wenn sie uns in dem Internetcafé ausfindig gemacht haben sollten, wer sagt uns dann, dass sie nicht wissen, in welchem Hotel wir wohnen?«
    Sie blickte sich um.
    »Im Augenblick sieht alles unverdächtig aus«, bemerkte sie lächelnd. »Wir werden ja sehen.«
    »Wir werden ja sehen? Sie haben gut reden. Ich bin es jedenfalls nicht gewöhnt, dass die Bullen hinter mir her sind.«
    »Ich auch nicht, aber man kann nicht viel dagegen unternehmen, wir können lediglich die Augen offen halten. Also was haben Sie herausbekommen?«
    »Borella ist tot«, erwiderte ich prompt und war froh, das Thema wechseln zu können. »In Jerusalem ermordet. Er hat eine Tochter in Paris. Ihre Telefonnummer steht aber auf der roten Liste, und ich fürchte, dass wir erneut Ihren Freund beim Verfassungsschutz in Anspruch nehmen müssen.«
    Sophie prustete los.
    »Der Arme wird mir die Pest an den Hals wünschen«, bemerkte sie. »Sollen wir nicht lieber Sphinx fragen?«
    »Warum nicht? Sie hatten ihm ja gesagt, dass wir uns heute Abend melden werden.«
    Eine Kellnerin trat an unseren Tisch und reichte uns die Speisenkarte. Ich dankte ihr mit einem Lächeln.
    »Haben Sie Hunger?«, fragte mich Sophie, als die Kellnerin wieder gegangen war.
    »Sagen wir mal so, wir haben beide ein gutes Essen verdient, und in New York gibt es keine Restaurants wie dieses hier.«
    »Ich dachte, dort gebe es eine ganze Menge französischer Restaurants?«
    »Das ist nicht das Gleiche. Die französische Küche im Ausland ist anders als in Frankreich. Ich weiß nicht warum. Vielleicht, weil man nicht dieselben Zutaten nimmt.«
    Sie stimmte lächelnd zu. Dann vertiefte sie sich in die Speisekarte des Pré Carré.
    »Was nehmen Sie denn?«, fragte sie, ohne den Blick zu heben.
    Ich ließ meinen Finger mehrere Male die Speisenkarte rauf- und runterwandern. Was für eine Qual, unter lauter Speisen wählen zu müssen, die sich alle köstlich anhörten.
    »Ich glaube, ich nehme die gebratene Entenleber in Scheiben auf gegrillten Pfirsichen als Vorspeise«, verkündete ich schließlich.
    Sie lächelte.
    »O ja, Sie haben Recht. Ich nehme dasselbe. Und danach?«
    »Ich schwanke zwischen den gebratenen Lammrippchen mit Thymian und dem Hasen mit Pinienkernen und Mangold.«
    Sie rieb sich das Kinn, rückte ihre Brille zurecht und blickte mich an.
    »Gut, nehmen Sie doch das Lamm und ich nehme den Hasen, und jeder darf beim anderen kosten.«
    »Einverstanden.«
    Ich rief die Kellnerin, die umgehend an unseren Tisch kam, um die Bestellung aufzunehmen. Als sie alles notiert hatte, und zur Küche eilte, trat ein etwas korpulenter, junger Mann an unseren Tisch.
    »Möchten Sie Wein trinken?«, fragte er und reichte mir die Weinkarte.
    Ich zögerte einen Moment angesichts der umfangreichen Liste.
    »Ich denke, zur gebratenen Entenleber würde ein Sauternes passen. Was meinen Sie, Sophie?«
    »Wenn Sie wollen. Oder ein Barsac«, schlug sie hinterlistig vor. »Kennen Sie ihn? Er ist dem Sauternes sehr ähnlich, aber meiner Meinung nach leichter.«
    »Wunderbar«, erwiderte ich begeistert und reichte ihr verlegen die Weinkarte.

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