Das Jesusfragment
Vereinigten Staaten aus agiert, aber das kann ich im Moment nicht genau feststellen.«
Sophie hatte ein beliebtes Internetcafé in der Avenue de Friedland gewählt. Das riesige Loft war in ein halbdunkles, elektrisches Licht getaucht und im Stil einer Bar im Rokoko-Stil der achtziger Jahre eingerichtet. Zugleich erinnerte es an einen der Schuppen auf den Promenaden von Los Angeles. Neonlichter, Leuchtdioden, Spots, flimmernde Bildschirme und fluoreszierende Strahlen durchbrachen die Dunkelheit dieser Höhle. An den Wänden standen reihenweise Computer bereit. Begeisterte Jugendliche mit Kopfhörern klebten förmlich an den Bildschirmen, waren Zombies, die sich im Computerspiel entscheiden mussten, ob sie besser mit einer Uzi oder einer Kalaschnikoff auf ihre Gegner feuern sollten. Ein verstörter Dreißigjähriger mit langen roten Haaren und einer dicken Hornbrille hatte uns in den hinteren Teil des Lofts geführt. Mit den Schatten unter seinen geröteten Augen und seinem mageren Körper, der in einem viel zu langen Hemd und einer viel zu weiten Hose steckte, wirkte er, als habe er seit Tagen weder gegessen noch geschlafen. Wir waren hinter ihm eine enge Wendeltreppe hinaufgestiegen, und er hatte uns schließlich einen kleinen Platz auf einer Galerie zugewiesen.
»Setzen Sie sich da hin. Sie haben Explorer und Netscape. Keine Installierungen möglich. Keine Schweinereien. Für Spiele brauchen Sie …«
»Wir haben nicht die Absicht zu spielen. Aber ist mIRC installiert?«
Er hatte seufzend in dem Computer herumgesucht, und schließlich war ein Icon erschienen. Das einzige Programm, das wir benötigten. Dann hatte er sich, mit einer Zigarette im Mundwinkel, brummend verzogen.
Auf der Galerie hatten wir unsere Ruhe, und die Jungs um uns herum waren in einer anderen Welt und hatten uns nicht einmal kommen sehen. Aus ihren Kopfhörern und den Lautsprechern, die im ganzen Raum verteilt waren, dröhnte Technomusik, und daher bestand keine Gefahr, dass sie uns hörten. Wir konnten uns ungestört unterhalten. Ich war kurz zur Toilette gegangen, und Sophie hatte die Zeit offensichtlich genutzt, um ein wenig mit Sphinx zu plaudern. Sie hatte ihm unter anderem von mir und den näheren Umständen unserer Suche erzählt.
Das Foto von Bush, das der Hacker uns geschickt hatte, war in der Libération erschienen, was unseren unsichtbaren Freund sehr freute.
Er wurde uns immer sympathischer, und ich hätte gern mehr über ihn erfahren. Schließlich wussten wir nicht einmal, wie alt er war, auch wenn vieles darauf hinwies, dass es sich um einen jungen Mann, vielleicht Anfang zwanzig handeln müsste.
Mit seiner Warnung, dass jemand unsere Daten ausspioniert hatte, hatte er uns vermutlich das Leben gerettet. Sophie versprach ihm, dass wir uns erkenntlich zeigen würden.
» Wissen Sie, ob die gesamte Festplatte kopiert wurde?«
» Hundertprozentig.«
»Haben Sie eine Chance, die Eindringlinge noch zu identifizieren?«
» Vielleicht mit dem Programm, das ich Ihnen gemailt habe. Aber das wird dauern. Diese Halunken haben ihnen ein Trojanisches Pferd untergeschoben. Die müssen einen Moment abgepasst haben, als Sie Ihren Computer nicht benutzten, und haben dann auf Ihre Dateien zugegriffen.«
»Interessant. Aber ich kann jetzt meinen Laptop nicht mehr benutzen und das wird uns bei unserer Suche nicht gerade sehr behilflich sein.«
»Kann ich noch etwas für Sie tun?«
»Im Augenblick nichts Konkretes. Aber ich bin sicher, dass wir bald wieder neue Fragen für Sie haben werden. Können Sie inzwischen versuchen, sie zu identifizieren?«
»Ich werde mein Möglichstes tun. Und ich werde versuchen, mehr über Acta Fidei herauszufinden. Diese Geschichte macht mich wirklich neugierig.«
»Sie können es auch mit dem Bilderberg versuchen. Aus sicherer Quelle haben wir erfahren, dass es eine Spaltung der Gruppe gegeben hat. Darüber wird bestimmt etwas zu finden sein.«
»Okay. Reden wir heute Abend wieder?«
»Okay. Ich melde mich nach dem Abendessen.«
Sophie schloss das IRC-Programm und überließ mir den Platz.
»Suchen Sie nach dem Autor des Mikrofilms«, sagte sie. »Ich gehe jetzt nach Beaubourg. Wir treffen uns heute Abend um zwanzig Uhr zum Essen im Hotel, und dann kommen wir wieder her, um mit Sphinx zu reden.«
»In Ordnung.«
Sie gab mir einen Kuss auf die Stirn und verschwand hinter den Pfeilern, die die Computerplätze unterteilten.
Ich seufzte und öffnete einen Internet-Browser auf dem Bildschirm vor mir. Ich
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