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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Entsetzens aus. Der Körper der jungen Frau lag reglos über der Lehne eines Sofas, und Blut sickerte in den weißen Stoff. Ich schloss die Augen. Nein. Das war nicht möglich.
    Ein Stück Glas, das auf dem Fenstersims hängen geblieben war, fiel auf den Boden und splitterte. Das Geräusch riss mich aus meiner Erstarrung. Ich beugte mich vor und sah, dass die junge Frau noch atmete. Sie war nicht tot. Die Kugel hatte ihre Schulter getroffen, und der Schmerz oder der unvermeidliche Schock hatte sie ohnmächtig werden lassen.
    Ich richtete mich auf und zuckte zusammen, als die nächste Kugel wenige Zentimeter an meinem Gesicht vorbeipfiff. Ich rollte mich auf den Boden, schnitt mir die Hände und Handgelenke an den Glasscherben auf.
    Die Kugel war in die gegenüberliegende Wand gedrungen. Ich warf einen raschen Blick zum Fenster. Der Schütze musste sich in dem Haus auf der anderen Straßenseite befinden. Ich zögerte keine Sekunde mehr und griff nach dem Fuß der jungen Frau und zog sie hinter mir her. Auf diese Weise robbte ich unterhalb des Fensters auf die Wohnungstür zu.
    Als wir in Sicherheit waren, näherte ich mich Claire Borellas Gesicht. Langsam kam sie wieder zu sich. Plötzlich riss sie die Augen auf und begann zu begreifen. Ihr Blick verriet, dass sie von größter Panik erfasst war.
    »Bleiben Sie ruhig, ganz ruhig«, flüsterte ich. »Ich bringe Sie hier raus.«
    Sie musterte mich verängstigt. Meine Hände zitterten, und ich war völlig ratlos. Ich konnte nicht denken. Was tun? Flüchten? Auf die Polizei warten? Beide Lösungen waren gleichermaßen schlecht: Wenn wir flüchteten, würde uns der Schütze oder einer seiner Komplizen vermutlich am Ausgang des Gebäudes kaltblütig abknallen. Aber wenn wir auf die Polizei warteten, wäre alles verloren.
    Aber selbst wenn wir entkommen könnten, würde mich die Polizei schließlich identifizieren. Überall auf dem Parkett waren Flecken von meinem Blut, und man hatte mich den ganzen Morgen im Café sitzen gesehen.
    Doch ich konnte jetzt nicht aufgeben. Mein Vater und der Vater dieser jungen Frau waren für diese Suche gestorben, sie musste zu Ende geführt werden. Kostete es, was es wolle. Wir mussten unbedingt aus dem Haus herauskommen.
    In diesem Augenblick klingelte mein Handy. Ich zuckte zusammen. Wer konnte das sein? Lediglich drei Personen kannten meine Nummer: Sophie, François und der Priester aus Gordes.
    Claire sah mich mit fragendem Blick an. Ich spürte ihren Atem neben mir. Das Telefon klingelte wieder, und ich steckte meine blutende Hand in die Hosentasche, um es hervorzuholen.
    »Monsieur Louvel?«
    Das war nicht die Stimme des Priesters. Diese Stimme klang tiefer. Eine Stimme, die ich nicht kannte.
    »Wer ist am Apparat?«
    »Monsieur Chevalier schickt mich. Ich bin vor dem Haus und wollte Sie abholen … und ich habe gerade die Schüsse gehört.«
    Ich biss mir auf die Unterlippe. Nachdenken. Was, wenn es eine Falle war? Mir ging alles viel zu schnell.
    »Was beweist mir, dass Sie von Chevalier kommen?«
    »Ich bin Stéphane Badji. Der Abgeordnete sagte mir, wenn ich mich ausweisen müsste, würde es genügen, Ihnen gegenüber Alice im Wunderland zu erwähnen, damit Sie mir vertrauen.«
    Es gab keinen Zweifel. Der Mann war ein Freund von François.
    »In Ordnung. Können Sie uns hier rausholen?«
    »Hören Sie zu, auf der Rückseite des Gebäudes gibt es eine Feuerleiter. Eine alte Metallleiter, die an der Fassade entlangführt. Ich warte unten auf Sie, in einem marineblauen Renault Safrane. Beeilen Sie sich, ich habe ein paar Typen ins Haus gehen sehen.«
    Ich schaltete sofort das Handy aus. Jetzt durften wir keine Zeit verlieren.
    Um zu der anderen Seite der Wohnung zu gelangen, mussten wir durch das Zimmer zurück, das im Schussfeld lag. Ich konnte hören, wie mein Herz schlug, und atmete tief durch. Claire Borella betrachtete mich verwirrt. Ihre Schulter blutete noch immer.
    »Wir werden das Haus über die Feuerleiter verlassen«, erklärte ich ihr.
    Sie schüttelte den Kopf und stammelte etwas Unverständliches.
    »Pst«, unterbrach ich sie, »vertrauen Sie mir. Bitte. Wenn Sie wollen, dass wir lebend hier rauskommen, dann vertrauen Sie mir.«
    Sie schloss die Augen und gab mir ein Zeichen, dass sie bereit sei. Sie zitterte.
    Als ich merkte, dass sie sich wieder etwas gefangen hatte, stand ich auf, half ihr hoch, beugte mich schützend vor sie und durchquerte in gebückter Haltung die Wohnung. Ich schob sie in das dem Wohnzimmer

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