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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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befreien. Ohne mich aus den Augen zu lassen, trank sie einen Schluck Whisky und fing an zu sprechen:
    »Mein Vater hat den größten Teil seines Lebens in Palästina verbracht. Hauptsächlich in der Wüste von Judäa. Er arbeitete für Ärzte ohne Grenzen, aber sein leidenschaftliches Interesse galt den Beduinen der Wüste.«
    Ich nickte lächelnd, um sie zu ermuntern, mit ihrer Erzählung fortzufahren. Allmählich begann sie, Vertrauen zu fassen.
    »Vor ungefähr fünfzehn Jahren hat er eine Art Kloster entdeckt, nicht weit von Qumran entfernt. In dieser Gegend gibt es viele Religionsgemeinschaften, aber diese war ganz besonders … verschlossen. Als er sich über sie erkundigen wollte, erhielt er derart unterschiedliche Antworten, dass er neugierig wurde. Manche sagten, es handele sich um eine jüdische Gemeinschaft, andere behaupteten, es handele sich um Christen. Die Gemeinschaft lebte extrem zurückgezogen und empfing absolut keine Besucher. Aber mein Vater war ein dickköpfiger Mann. Er hatte von den Beduinen gelernt, mit Geduld umzugehen. Deshalb gelang es ihm schließlich, das Kloster zu betreten und mit den Mönchen zu sprechen. Und dabei hat er das Unglaubliche entdeckt.«
    »Dass sie Essener waren?«
    Sie nickte.
    »Auf jeden Fall haben sie das von sich behauptet. Nach dem, was sie sagten, gingen die Wurzeln ihrer Gemeinschaft bis auf die Zeit Christi zurück, und sie versicherten ihm, dass sich ihr Orden seit damals nicht verändert habe.«
    »Das scheint unglaublich! Wie konnten sie über Generationen hinweg überleben?«
    »Ich weiß nichts darüber. Ich weiß nur, dass mein Vater ungeheuer fasziniert war von ihrer Geschichte. Er hatte vollkommen den Verstand verloren und Unmengen von Texten über sie geschrieben. Der Text in der Nationalbibliothek ist lediglich ein Auszug aus seinen gesamten Aufzeichnungen.«
    »Warum hat er ihn hinterlegt?«
    »Er wollte seine Entdeckung niemandem anvertrauen, aber er wollte sie dennoch sicher aufbewahrt wissen, für den Fall, dass … für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte.«
    Sie trank noch einen Schluck Whisky, dann fuhr sie fort:
    »Vor ein paar Wochen, als er sich in Jerusalem aufhielt, bekam ich diese seltsamen Anrufe. Leute, die meinen Vater sprechen wollten und auflegten, als ich erklärte, dass er nicht da sei. Ich benachrichtigte meinen Vater, der mir versprach, so bald wie möglich nach Hause zu kommen. Ein paar Tage später war er tot. Seither weiß ich nicht, was ich tun soll. Ich wage es nicht mehr, den Telefonhörer abzunehmen, ich wage es nicht, alles der Polizei zu erzählen, und ich bin seit drei Wochen nicht mehr arbeiten gegangen. Ich habe furchtbare Angst.«
    Ich erhob mich und setzte mich neben sie. Dann nahm ich ihre Hände in meine und versuchte, sie zu beruhigen und meine Verlegenheit zu verbergen. Sie riss sich zusammen und schenkte mir ein Lächeln, doch ihre Blicke sprachen Bände: Sie hatte Todesangst.
    »Woher kennen Sie den Namen meines Vaters?«, fragte ich sie.
    »Papa hat mir von ihm erzählt. Er sagte, Ihr Vater habe vielleicht eine Erklärung für die Assayya. Er meinte auch, Ihr Vater sei ein außergewöhnlicher Mensch, vielleicht der einzige, dem er vertraute. Diese Geschichte hatte ihn vollkommen paranoid gemacht.«
    »Ich verstehe.«
    »Aber das ist noch nicht alles«, erklärte Claire und richtete sich auf dem Sofa auf. »Sind Sie auf dem Laufenden, was den Orden betrifft?«
    »Was?«
    »Ein paar Tage nach dem Tod meines Vaters habe ich in Le Monde einen Artikel gefunden. Er berichtete von dem Massaker an einer Religionsgemeinschaft in der Wüste von Judäa. Einfach so. Als sei es ein beliebiges Ereignis im israelisch-palästinensischen Konflikt!«
    »Sie wurden getötet?«, rief ich.
    Sie nickte hastig.
    »Keine Überlebenden. Und das Kloster wurde niedergebrannt.«
    Ich war sprachlos und konnte es einfach nicht glauben.
    »Haben Sie diesen Artikel aufbewahrt?«
    »Ja, natürlich.«
    Sie erhob sich, und in diesem Augenblick gab es eine heftige Detonation. Das Fenster des Salons zersplitterte in tausend Stücke. Glasscherben flogen durch das ganze Zimmer.
    Alles geschah in wenigen, verwirrenden Sekunden. Der Krach hatte mich so zusammenfahren lassen, dass ich nach hinten umgekippt war. Als ich mich wieder hochraffen wollte, bemerkte ich eine klebrige Flüssigkeit an meiner Hand und auf dem Teppich. Ich senkte den Blick und entdeckte voller Entsetzen die Blutspuren.
    Langsam hob ich den Kopf und stieß einen Schrei des

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