Das Jobinterviewknackerbuch
zukünftigen Arbeitgeber als kompetent wahrgenommen werden, um im zweiten Schritt – nach Ihrer Einstellung – Ihre Kompetenz im Job unter Beweis stellen zu können.
Sie kennen diesen Effekt vielleicht aus dem Krankenhaus. Begegnen Sie auf einem Krankenhausflur einem Menschen in weißem Kittel, ausgerüstet mit Stethoskop und Kugelschreibern, dann denken Sie, es ist ein Mediziner, und unterstellen ihm Kompetenz. Der dunkle Anzug im Vorstellungsgespräch funktioniert genauso: Sie treten auf, schauen souverän in die Runde, der Anzug sitzt, die Frisur auch – schon haben Sie so etwas wie eine Kompetenzvermutung am Personalertisch erzeugt.
Ihre professionelle Kompetenz selbst besteht laut Kompetenz-Expertin Michaela Pfadenhauer, Professorin für Soziologie an der Universität Konstanz, aus drei Komponenten, die Sie in Ihrem Vorstellungsgespräch |66| zur Aufführung bringen sollten: Ihre Bereitschaft, Ihre Befähigung und Ihre Befugnis. Das heißt konkret:
Bereitschaft: Sie sind bereit, Ihren Beruf auszuüben und sich an den zentralen Werten Ihres Berufsstandes zu orientieren. Sie sind auch bereit, Verantwortung für Ihren Arbeitsbereich zu übernehmen und im Sinne des Unternehmens zu handeln. Das zeigen Sie nicht zuletzt durch Ihre Bereitschaft, sich dem Prozedere eines Vorstellungsgesprächs zu unterziehen.
Befähigung: Durch Ihre Ausbildung und/oder Ihre Berufserfahrung haben Sie sich Zugang zu dem Wissen erschlossen, das Sie für Ihren Job brauchen. Sie sind fähig, sich auf Ihre zukünftigen Kollegen und Kunden einzustellen – und zeigen dies auch durch Ihre Fähigkeit, sich souverän auf die Situation »Vorstellungsgespräch« einzustellen.
Befugnis: Wirklich professionell wird der Profi erst dadurch, dass er das, was er tun kann, auch tun darf. So sind Sie zum Beispiel offiziell (staatlich) zugelassen als Arzt oder Rechtsanwalt, oder Sie haben von Ihrem früheren Arbeitgeber die Befugnis erhalten, über ein bestimmtes Personalkontingent und Budget zu verfügen – was Sie ebenfalls qualifiziert.
Im Vorstellungsgespräch stellen Sie Ihre Bereitschaft und Befähigung unter Beweis, Sie berichten von Ihren früheren und aktuellen Befugnissen und sprechen über Ihre zukünftigen Befugnisse. Ziel dieser Show-Veranstaltung ist es, Ihre Bereitschaft, Befähigung und Befugnis in formale Deckung zu bringen. Denn nur dann sind Sie ein echter Profi.
Finden Sie, das klingt zu abstrakt? Dann stellen Sie es sich einmal umgekehrt vor. Angenommen, ein junger Bewerber wird zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Er möchte dort in seinen Lieblingsjeans und einem besonders witzigen T-Shirt auftreten – weigert sich also, einen Anzug zu tragen, weil ihm das »unauthentisch« vorkommt. Was wird passieren? Wenn er sich nicht gerade bei Google bewirbt oder als Schülerhort-Betreuer, werden die Personaler seine
Bereitschaft
anzweifeln, gute Arbeit abzuliefern.
|67| Oder: Im Vorstellungsgespräch überrascht ein Personaler Sie mit einem
Brainteaser
– was nichts anderes ist als eine Denksportaufgabe. Sie haben aber keine Lust, sich Gedanken darüber zu machen, wie viel Smarties in einen Smart passen – und weigern sich, diese Aufgabe zu lösen. Auch das wird Ihnen als mangelnde Bereitschaft ausgelegt, sich im Job anzustrengen und auch in schwierigen Verhandlungen einen kühlen Kopf zu bewahren.
Auch mit einer sehr hohen
Befähigung
können Sie im Vorstellungsgespräch rasant aus der Kurve fliegen: Angenommen, Sie sitzen einem recht jungen Personaler im Berufsanfängerstadium gegenüber. »Ich habe zehnmal so viel Lebenserfahrung und dreißigmal so viel Hirnkapazität wie dieser Grünschnabel«, schießt es Ihnen durch den Kopf. Sie lassen also keine Gelegenheit aus, sich über die Fragetechnik Ihres Gegenübers lustig zu machen und im englischsprachigen Teil des Interviews ein so hohes Sprechtempo zu wählen, dass der »Grünschnabel« nicht mehr mitkommt. Sind außer diesem Personaler auch noch Fachabteilungsleiter oder Geschäftsführer im Interview anwesend, die Ihre Show genauso unterhaltsam finden wie Sie selbst, dann können Sie Glück haben und den Job bekommen. Ein solches Verhalten kann aber auch nach hinten losgehen, weil es schlicht unhöflich und respektlos ist. Ein Vorstellungsgespräch ist eben keine Nachmittagsshow im Privatfernsehen.
Beim Thema
Befugnis
kommt es im Vorstellungsgespräch darauf an, dass Sie das richtige Maß erwischen. Schneiden Sie im Hinblick auf frühere Jobs nicht auf (»Ich hatte 1
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