Das Jobinterviewknackerbuch
entwerfen, was die Erwartung übersteigt«, schreibt Knoblauch in seiner
Soziologie der Kompetenz
.
Kompetenz zeigen Sie also nicht, wenn Sie Antworten aus Bewerbungsratgebern auswendig lernen und im Vorstellungsgespräch vortragen. In diesem Fall machen Sie ein effektives Vorstellungsgespräch sogar unmöglich. Sie sagen zwar Texte auf und nehmen bestimmte Körperhaltungen ein. Aber: »Sie simulieren Kommunikation, kommunizieren jedoch nicht.« So hat es Jo Reichertz, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Uni Essen-Duisburg, auf den Punkt gebracht. »Wer nur mit Regeln und Prinzipien kommuniziert, ist ein Anfänger, der das Spiel zwar mitspielen kann, aber er ist nicht wirklich kompetent.« Kompetenz zeigen Sie dann, wenn Sie Ihre Antworten in der jeweiligen Situation auf Maß schneidern.
Das Vorstellungsgespräch ist doch ein wunderbares Forum, um Ihre Kreativität unter Beweis zu stellen, mit der Sie für ein wenig Überraschung sorgen. Natürlich immer in einem angemessenen Rahmen, sonst werden Sie in die Schublade »absonderlich/verrückt/unbrauchbar« gesteckt. Der österreichische Soziologe Manfred Prisching nennt das treffend eine »domestizierte Originalität« oder einen »konformistischen Individualismus«. Es ist beinahe paradox: Das Job-Interview fordert von Ihnen, zugleich »außerordentlich individualistisch« und »außerordentlich konform« zu sein. »Ersteres ist gut für ihr Ego, Letzteres ist gut für das Funktionieren des Systems«, so Prisching. Wir finden, bei Job-Interviews ist es geradezu umgekehrt: Ihr zur Schau getragener Individualismus bestätigt die Hoffnungen und Erwartungen der Personaler, Ihre Konformität gibt Ihnen selbst zugleich Sicherheit.
Mehr zum Regelbruch im zweiten Schritt.
Sprechen Sie die Sprache der Branche
Sie kennen es aus Ihrer eigenen Berufspraxis: Experten des gleichen Fachs erkennen sich an ihrer Sprechweise. Sie teilen ein »kommunikatives |71| Universum« wie Michaela Pfadenhauer es bezeichnet. Dies betrifft in erster Linie Fachbegrifflichkeiten, indexikale Redensweisen – aber auch ein bestimmtes Sprechtempo und Sprachniveau. Sie tun gut daran, in Ihrem Vorstellungsgespräch hier aus dem Vollen zu schöpfen, vor allem, wenn Vertreter aus Ihrer zukünftigen Fachabteilung zugegen sind.
Fragt man Kompetenzexpertin Michaela Pfadenhauer, wie Experten typischerweise miteinander sprechen, um sich gegenseitig von ihrer Kompetenz zu überzeugen, definiert sie: Der Experte sagt, »was der Experte als Experte macht, und warum er das, was er macht, so macht, wie er es macht.« Aha. Und was heißt das für Ihr Vorstellungsgespräch?
Sie können Ihre Kompetenz zum Beispiel zeigen, indem Sie im Vorstellungsgespräch nicht nur zeigen,
welche
Projekte Sie gestemmt haben, sondern auch,
warum
und
wie
Sie das gemacht haben. Ähnlich wie im Mathematikunterricht präsentieren Sie also »nicht nur ein Rechenergebnis, sondern überdies den hierfür eingeschlagenen Lösungsweg«. Hier zeigen sich dann im besten Falle all Ihre Kompetenzen auf einmal – von Ihrer Fachkompetenz bis hin zu Ihrer Sozialkompetenz.
Knacker: Seien Sie anders als andere!
Sie sprechen also die Sprache Ihrer Branche und verhalten sich nach allen Regeln der Kunst vorstellungsgesprächsmäßig. Damit erreichen Sie, dass Personaler und eventuell anwesende Fachleute Sie als kompetenten Mitspieler wahrnehmen, und das ist auch gut so.
Es reicht aber nicht! Es reicht nicht aus, um den Damen und Herren in Erinnerung zu bleiben – zeigen zumindest Nicolas Roulin und Adrian Bangerter vom
Institut de Psychologie de Travail et des Organisations
der Université Neuchâtel (Schweiz). Ihrer Studie zufolge werden einzigartige Menschen anders behandelt als Menschen, die |72| in erster Linie gesellschaftlichen Konventionen entsprechen – und häufig profitierten diese von ihrer Einzigartigkeit. Vorsicht: Dies gilt in den individualistisch geprägten westlichen Ländern, nicht aber in Asien. Weil nun die meisten Ratgeberbücher zum Thema Vorstellungsgespräch ähnlich seien und weil die meisten Bewerber sich mit diesen Büchern auf ihre Interviews vorbereiteten, erzählten auch die meisten Bewerber in den Interviews das Gleiche. Beispiel: »Was ist Ihre größte Schwäche?« Antwort: »Ungeduld.« Wahlweise: »Perfektionismus.«
Kreativer als erwartet
Mit solchen Antworten erzeugen Sie Gähnen am Personalertisch. Die Schweizer Forscher schlagen deshalb vor, gezielt andere Antworten vorzubereiten. Die
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