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Das Joshua Gen (German Edition)

Das Joshua Gen (German Edition)

Titel: Das Joshua Gen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Krusch
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Haldol wirkte noch nach. »Vater verschwand einfach nicht ... erst als ich die Wände beschrieb, als ich über ihn hinweg schrieb.«
    »Hab ein wenig gelesen an deinen Wänden. Irres Zeug steht da, Kumpel. Verdammt irres Zeug! Hahaha!«
    Das runde Gesicht des Mannes, der ihn Kumpel nannte, wurde noch runder. Wie ein rosa Ballon auf dem Rummel, dachte Vince und lachte mit ihm. Der Aufenthaltsraum begann, sich um den Tisch herum zu drehen.
    »Verdammt irres Zeug! Hahaha!«
    Die anderen Patienten blickten herüber. Lachen war etwas aus einer fremden Welt. Wer neu war, berichtete, diese Welt läge gleich jenseits des Parks. Die schon lange genug hier waren, wussten, dass das nicht sein konnte, dass es nur ein Gerücht der Klinikleitung war.
    »Hahaha! Die dicke Mrs. Owens, Via Dei, der kleine Jeremy. Und dann Iowa!«
    Der Raum um ihn drehte sich schneller. Sein Herz hämmerte. »Du weißt von Iowa?!« Er presste die Hände auf den Tisch, um das verfluchte Teil am Boden zu halten. Alles schwankte. »Woher weißt du davon?!«, brüllte Vince. Das Ballongesicht neben ihm wurde um ein paar Nuancen blasser.
    »Ruhig, Kumpel ... du hast damit Wände vollgeschrieben, die ganze Nacht. Hab es bloß gelesen, sonst nichts.« Mit seinen Mullfingern stieß der Mann den leeren Medikamentenbecher vor Vince um. »Halt dich mit dem Zeug zurück, wenn es auf dein Gedächtnis geht. Hast doch eine wichtige Geschichte zu erzählen. Darfst keine Fehler machen, sonst behalten die dich hier für immer. Hahaha!«
    Für immer. Vince wurde noch schwindliger.
    »Und jetzt erzähle, wie du den Fünften gefunden hast. Warst gerade dabei, es dem letzten freien Stück Wand deiner Zelle anzuvertrauen, als die Pfleger dazwischen kamen ... Ja, erzähl mir von der Mitte des Kreuzes, Kumpel!«
    Jemand trat an ihren Tisch.
    Ein weißer Riesenballon. Er rüttelte heftig an Vince.
    »Lass ihn in Ruh! Mein Kumpel muss mir was erzählen. Was sehr Wichtiges!«
    »Halt besser die Klappe. Und du komm hoch, hast Besuch, du Schriftsteller ...«
    Der Sarkasmus des Pflegers entging Vince, aber irgendwo am Rande des Karussells erkannte er ihr Gesicht. Blass und sehr besorgt.
    »Verdammt!« Der Mann neben ihm rieb seine Verbände. An einem Finger begann es rot durchzusickern. Er starrte darauf und rieb noch heftiger. »Meine Hände, sie werden unruhig. Ich glaube, das liegt an Ihnen, Mag.«

    »Ich finde hier nichts!« Nona tippte frustriert auf dem Tablet-PC herum. Sie saß mit dem Rücken gegen das Kopfende des Bettes gelehnt. Ihr Gesicht vor dem Display leuchtete bleich. Es war der einzige Lichtfleck in dem dunklen Motelzimmer. Nur durch ein paar Lücken der verbeulten Jalousie drang rotes Neonglimmen von der Reklame am Schnellrestaurant gegenüber.
    »Wollen Sie nicht langsam mal schlafen?«, brummte Vince von seiner Hälfte des durchgelegenen Doppelbettes. »Diese Nacht hier kostet uns zwanzig Scheine.«
    Sie schien ihn nicht zu hören. »Ich hätte mehr aus meinem Vater herausbekommen sollen, ich hätte mit ihm reden sollen, anstatt ihn zu töten«, murmelte sie.
    Er drehte sich auf den Rücken. »Sein Krebs hat ihn getötet, Nona. Er lag schon im Sterben.«
    »Ja, und ich schlug ihn, während er starb! Ich war plötzlich so wütend, ich ... er hatte mich zurückgelassen in dem Heim und jetzt ließ er mich schon wieder allein.«
    Vince setzte sich auf. Er blickte auf den Spalt in der Jalousie, auf das bisschen rotes Licht der Neonreklame, das hindurchdrang. »Ich schlug meinen Vater nicht, während er starb. Ich sah ihm einfach dabei zu.«
    »Was?« Nona legte den Computer beiseite.
    »Es passierte ganz hinten in unserer Garage. Ich kam zufällig früher nach Hause und fand ihn da. Vater lebte noch. Er hatte sich mit irgendwas an einem Rohr an der Decke aufgehängt. Er blickte mich aus hervorquellenden Augen an, und ich sah, womit er sich aufgehängt hatte. Es war der Gürtel, mit dem er mich seit fünf Jahren verprügelte ... Ich verstand, dass er ihn auch genommen hatte, um sich bei mir zu entschuldigen. Ich setzte mich vor ihn hin und beobachtete das leichte Schaukeln seines Körpers, dann sprach ich ihn an. Ich verzeihe dir nicht . Das waren meine Worte. Dann starb er.«
    Vince erhob sich vom Bett und zog seine Jeans an.
    »Wo wollen Sie hin?«, fragte sie leise.
    Er nahm die Jacke vom Stuhl. »Ich schaue mal rüber in das Restaurant. Dieses Zimmer ist zu klein für zwei Depressive. Soll ich Ihnen was mitbringen?«
    »Danke, dass Sie fragen.« Nona lächelte.

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