Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Joshua Gen (German Edition)

Das Joshua Gen (German Edition)

Titel: Das Joshua Gen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Krusch
Vom Netzwerk:
und hob seine Waffe.
    Nigel ging auf ihn zu.
    »Max, Junge, wo steckst du? Max!«, schrie Vince verzweifelt und lief kopflos in den Wald. »Maaax!«
    Er kam nicht weit. Nigel brachte ihn zu Fall. »Du musst dich beruhigen, mein Freund.«
    Sie rangen. Vince schlug mit der Pistole nach ihm.
    »Lass mich los, verdammt! Mein Sohn ist hier!«
    Nigel nahm Vince in den Schwitzkasten und drückte ihm die Luft ab. »Ich kann dich in drei Sekunden töten. Das, oder du beruhigst dich jetzt!«, zischte der Schwarze ihm ins Ohr.
    Vince gab den Widerstand auf.
    Nigel half ihm hoch. Er sah die Tränen. »Tut mir leid, aber es ist keine gute Idee, laut schreiend in einen Wald zu rennen, in dem das auf dich wartet, was diese Männer getötet hat. Gehen wir zurück zum Haus. Wir dürfen sie nicht noch länger alleine lassen.«
    »Max ... wir müssen ihn suchen.«
    »Das werden wir, Vince, versprochen. Aber erst befragen wir den, der hier anscheinend die Fäden zieht.«

    Pater Simon berührte die beiden Kreuze, die Nigel vor ihn auf den Küchentisch gelegt hatte. Stephanus und Daniel. Tot. Da draußen im Wald lagen sie, Weggefährten über viele Jahre, Freunde fast, und jetzt die Boten des nahenden Untergangs. Alle Mühen umsonst. Alles Wirken vergebens. Nun wusste er es. Still zogen die Tränen ihre glänzenden Spuren über sein fahles Gesicht.
    »Rührend, Pater, wirklich«, flüsterte Nona in sein Ohr, »doch Ihre kleine Vorstellung kommt beim Publikum nicht gut an, fürchte ich.«
    Nigel nickte. »Sie hat recht. Sehen Sie sich Vince an, Pater. Sehen Sie in den Hass eines Vaters, dessen Sohn verschleppt wurde. Hass ist wie eine Ratte, die man in ein enges Rohr sperrt. Er will hinaus.« Nigel holte ein armdickes Metallrohr hervor und legte es vor den Priester auf die Tischplatte. »Er will unbedingt hinaus.« Der Farbige griff noch einmal unter den Tisch und stellte den Käfig neben das Rohr. »Selbst wenn er sich durchfressen muss ...«
    Pater Simon starrte auf die Ratte.
    »In Vietnam nannten wir es die Kreuzigung. Wir verwendeten vier einseitig verschlossene Rohre. Zwei für die Beine, zwei für die Arme.« Nigel schob den linken Ärmel am Pullover des Priesters hoch bis zum Ellenbogen. »Man brauchte dann nur noch Vietcong-Schlitzaugen und Ratten. Beides gab es im Überfluss. Die Ratten kamen in die Rohre, die Rohre über die Arme und Beine der Schlitzaugen. Dann hängten wir alles an die Bäume. Sie hingen wie Jesus, hingen bis die Ratten fertig waren und die blutigen Stümpfe aus ihren Rohren rutschten. Manch einer lebte noch.«
    Es war totenstill in der großen Küche geworden. Nigel holte die Ratte aus ihrem Käfig und steckte das Tier in das Rohr.
    Vince brach das Schweigen.
    »Ich will nicht, dass das hier so läuft.«
    »Aber ich!« Nona kam um den Tisch herum und packte den entblößten Arm des Priesters. »Vince, wollen Sie Max denn nicht zurück? Er hat ihn! Und er will dafür Nathan! Ich will jetzt wissen, wieso!«
    Der Pater schüttelte den Kopf. »Wir haben den Jungen nicht. Er war nie in dem Wagen. Seine Jacke muss derjenige hineingetan haben, der meine Männer tötete. Er treibt einen Keil zwischen uns, merkst du das nicht?«
    »Ja, ja, und wer es glaubt, wird selig! Los, Nigel, füttern wir eine Ratte mit einer anderen!«
    Pater Simon sah in das wütende Gesicht der jungen Frau. »Es spielt keine Rolle, was ihr mir antut. Denn es kann nichts an dem ändern, was dein Vater tat.«
    »Mein Vater?«
    Ihr rasender Zorn verlor sich in Unsicherheit.
    »Du musst mir glauben, dass er nur das Beste wollte. Wir alle wollten es ... Durch uns begriff dein Vater die Dimension des Bevorstehenden, die Notwendigkeit zu handeln, er verstand den Weg Gottes.«
    Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen richteten sich auf. »Was«, flüsterte Nona heiser, »was hat mein Vater getan?«
    »Er trat unserem Orden bei.«

    Er brauchte mehr Papier, aber vor allen Dingen brauchte er Ruhe. Er musste sich konzentrieren. Dem Toten hinter ihm war das egal. Mit den Schuhen schabte und kratzte er über die Wand. Der Ledergürtel um seinen zerquetschten Hals knarrte im Rhythmus seines schaukelnden Körpers. Aus seinem blauschwarz angelaufenen Gesicht quollen die Augäpfel. Vince sah nicht hin. Er hatte dem kleinen Gitterfenster seiner Zelle den Rücken zugekehrt. Sein Vater hing ja nicht wirklich dort. Vince hätte um Medikamente gegen den hartnäckigen Gast bitten können, aber durch sie wäre nicht nur dieses Trugbild verschwunden, sondern auch

Weitere Kostenlose Bücher