Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
es derzeit aussieht, hängt davon ab, was in der Vergangenheit mit ihm geschehen ist. Also sind Kosmologie und Kosmogonie innig miteinander verwoben, ganz so wie in der alten Mythologie. Die gegenwärtige Theorie von den Ursprüngen des Universums ist natürlich der Urknall, der sich unverhofft aus astronomischen Beobachtungen ergab, die die Größe und Gestalt des Weltalls ermitteln sollten. Bevor wir also die Ursprünge des Universums untersuchen, wollen wir rasch einen Blick auf diese Beobachtungen und ihre Folgen werfen.
In alten Zeiten wurden Welt und Universum als so ziemlich dasselbe betrachtet. Sonne, Mond, Planeten und Sterne waren wenig mehr als zusätzliche Verzierungen am Himmel; die Welt, auf der wir lebten, dominierte alles andere. Inzwischen wissen wir, dass unser Planet ein ganz winziges Gesteinsklümpchen in einem riesigen Universum ist, das wir kaum gedanklich erfassen können.
Einen ersten Blick auf die schiere Größe des Universums erhaschte die Menschheit 1838, als der Astronom Friedrich Bessel die Entfernung zum Stern 61 Cygni maß. Bis dahin konnten Leute, die nicht glaubten, dass die Erde um die Sonne kreist, ein ziemlich plausibles Argument vorbringen, warum die Erde feststehen müsse. Wenn sie sich um die Sonne bewegte, dann würden die näheren Sterne sich scheinbar leicht vor dem Hintergrund der weiter entfernten bewegen, ein »Parallaxe« genannter Effekt. Doch das taten sie nicht. Bessel fand heraus, warum das so war: Selbst der nächste Stern ist unglaublich weit entfernt, sodass jene scheinbare Bewegung zu klein wird, als dass sie wahrnehmbar wäre. Mit einem empfindlichen neuen Teleskop entdeckte er, dass der Stern 61 Cygni 11,4 Lichtjahre weit entfernt ist, rund 10 14 (einhundert Billionen) Kilometer. Der aktuelle Wert beträgt 11,403. Bessel hatte es also sehr genau getroffen.
Die Verkleinerung der Menschheit hatte da eben erst begonnen. Neben funkelnden Lichtpunkten prangte am Himmel auch ein leuchtendes Lichtband, die Milchstraße. In Wahrheit ist es eine Scheibe von Sternen, von denen die meisten zu weit entfernt sind, um einzeln wahrgenommen zu werden, und wir befinden uns in ihr. Wir nennen solch eine Scheibe inzwischen eine Galaxis, nach dem griechischen Wort für »Milch«. Hinweise, dass andere Galaxien existieren, tauchten auf, als die Astronomen ferne Nebelflecken entdeckten, verschwommene Fetzchen von Licht. 1755 nannte der Philosoph Immanuel Kant solche Nebel »Insel-Universen«. Charles Messier stellte 1774 den ersten Katalog von Nebeln zusammen (einige wenige waren wirklich Nebelflecken, keine Galaxien). Ein hervorstechender Nebel im Sternbild der Andromeda war der 31. in der Liste und wurde daher als M31 bezeichnet. Er besaß keine Parallaxe, war also vermutlich sehr weit entfernt. Die große Frage war: wie weit?
1924 zeigte Edwin Hubble, dass M31 weit außerhalb der Milchstraße liegt. Er stützte sich dabei auf die brillante Arbeit von Henrietta Leavitt, einem »menschlichen Computer«, angestellt für die Routineaufgabe, die Helligkeit der Sterne zu messen und zu katalogisieren. Damals suchten die Astronomen nach der »Standardkerze« – einem Sternentyp, auf dessen absolute Helligkeit man aus anderen Beobachtungen schließen konnte. Die könnte man dann mit der scheinbaren Helligkeit vergleichen, und die Art, wie die Helligkeit mit der Entfernung abnimmt, könnte benutzt werden, um die Entfernung des Sterns zu berechnen. Leavitt beobachtete Cepheiden-Veränderliche, Sterne, deren Lichtausbeute sich in einem periodischen Zyklus ändert, und 1908 entdeckte sie, dass der Lichtausstoß eines Cepheiden mit seiner Periode zusammenhängt. Daher kann die absolute Helligkeit aus Beobachtungen berechnet werden, also kann er als Standardkerze dienen. 1924 beobachtete Hubble Cepheiden-Veränderliche in M31 und errechnete für diese Galaxis eine Entfernung von einer Million Lichtjahren. Die gegenwärtige Schätzung liegt bei 2,5 Millionen Lichtjahren.
Die meisten Galaxien sind viel weiter entfernt, so weit, dass keine Chance besteht, Cepheiden oder überhaupt irgendwelche einzelnen Sterne darin zu unterscheiden. Doch Hubble überwand auch dieses Hindernis. Vesto Slipher und Milton Humasion hatten entdeckt, dass die Spektren vieler Galaxien zum roten Ende des Spektrums hin verschoben sind. Die plausibelste Erklärung dafür war der Dopplereffekt, bei dem sich die Wellenfrequenz ändert, wenn die Quelle sich bewegt. Am bekanntesten ist der Effekt für Schallwellen: Die
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