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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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wiederholt. Das führt zu einem Szenario namens »ewige Inflation«, wobei unsere Region des Universums einfach eine aufgeblähte Blase im kosmischen Schaumbad ist. Eine neue Periode könnte heute Nachmittag in Ihrem Wohnzimmer beginnen und Ihren Fernseher und die Katze augenblicklich um den Faktor 10 78 aufblähen.
    Ein anderes Problem besteht darin, dass fast alle denkbaren Universen mit Inflation nicht mit unserem Universum in Übereinstimmung zu bringen sind, und wenn man die Anfangsbedingungen derart einschränkt, dass man die übereinstimmenden erhält, dann ist es viel wahrscheinlicher, dass ein Universum ohne Inflation das ebenfalls leistet. Roger Penrose zufolge überwiegen passende Anfangsbedingungen, die keine Inflation benötigen, jene für ein Inflations-Universum um den Faktor von einem Googolplex – zehn hoch zehn hoch einhundert. Eine Erklärung, die ohne Inflation auskommt, wenngleich sie einen außerordentlich unwahrscheinlichen Anfangszustand erfordert, ist erheblich plausibler als eine Erklärung, die Inflation annimmt.
    Einige Außenseiter arbeiten ohnehin schon seit geraumer Zeit an Alternativen zum Standardmodell, doch nun müssen auch die traditionellen Kosmologen die Theorie überdenken. Mangel an Ideen besteht nicht. In manchen gibt es keinen Urknall, sondern eine Art Revival des stationären Universums, in dem eine geeignet körnige Verteilung der Materie Hunderte von Jahrmilliarden fortbestehen kann, vielleicht unendlich lange. Die Rotverschiebung wird nicht von der Ausdehnung bewirkt, sondern von der Gravitation. Dunkle Materie wird zur Erklärung der Rotationsverläufe nicht benötigt, vielmehr könnte relativistischer Inertialzug, bei dem rotierende Materie den Raum mitnimmt, als Lösung genügen.
    Radikaler ist wohl der Vorschlag, dass entweder unsere Gravitationstheorie oder unsere Bewegungstheorie leicht modifiziert werden muss. Als 2012 der Teilchenphysiker und Nobelpreisträger Martinus Veltman gefragt wurde: »Wird die Supersymmetrie die dunkle Materie erklären?«, antwortete er: »Natürlich nicht. Die Leute suchen seit den 1980er-Jahren nach diesem Zeug, und sie reden nichts als Blabla. Ist es nicht wahrscheinlicher, dass wir die Gravitation gar nicht so gut verstehen? Die Astrophysiker glauben an Einsteins Gravitationstheorie mit einer Hingabe, die unglaublich ist. Wissen Sie, wie viel von Einsteins Theorie in den Entfernungen von Galaxien überprüft worden ist, wo wir dunkle Materie ›sehen‹? Nichts.«* [* Martinus Veltman, coming to terms with the Higgs. In: Nature 490 (2012), S. S10–S11.]
    Das bekannteste Angebot hier ist MOND, die Modifizierte Newton’sche Dynamik, die 1983 von Mordehai Milgrom vorgeschlagen wurde. Die Grundidee lautet, dass Newtons zweites Bewegungsgesetz vielleicht nicht für sehr kleine Beschleunigungen gilt, sodass sich die Beschleunigung nicht proportional zur Schwerkraft verhält, wenn diese Kraft sehr schwach ist. Es besteht die Neigung zu der Annahme, MOND sei die einzige Alternative zur allgemeinen Relativitätstheorie. Richtig ist, dass es die einzige ist, die ausgiebig untersucht wurde. In einer Sondernummer der Zeitschrift der Royal Society, die kosmologischen Tests der allgemeinen Relativitätstheorie gewidmet war, schrieb Robert Caldwell* [* Robert R. Caldwell: A gravitational puzzle. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London A (2011) 369, S. 4998 – 5002.]: »Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint es durchaus plausibel, dass die Beobachtungen durch neue Gravitationsgesetze erklärt werden können.« In derselben Ausgabe wies Ruth Durrer* [* Ruth Durrer: What do we really know about dark energy? In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London A (2011) 369, S. 5102 – 5114.] darauf hin, dass die Indizien für dunkle Energie schwach sind: »Unser einziger Hinweis auf die Existenz dunkler Energie stammt von Entfernungsmessungen und ihrer Beziehung zur Rotverschiebung.« Der Rest des Beweismaterials, sagt sie, stelle lediglich fest, dass die durch Messungen der Rotverschiebung ermittelten Entfernungen größer sind als die vom kosmologischen Standardmodell erwarteten. Etwas Unerwartetes ist im Gang, aber es braucht keine dunkle Energie zu sein.
    Unsere Gewissheit, den Anfang unseres Universums zu kennen, ist erschüttert worden. Eine modifizierte Version des Urknalls kann durchaus korrekt sein, vielleicht aber auch nicht. Wenn neues Tatsachenmaterial auftaucht, ändern Wissenschaftler ihre Meinung.
    Aber

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