Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
einen der Spiegel hindurch entweichen. Die Spiegel sind Ober- und Unterrand der Wolke, doch anstelle von hin und her prallenden Photonen schickt die Wolke Elektronen aufwärts und Positronen abwärts. 2005 stand diese Theorie auf ziemlich soliden Fundamenten. Das Fermi Gamma-ray space telescope (Fermi Gammastrahlen-Raumteleskop) hat mittlerweile Bündel von geladenen Teilchen entdeckt, die von Gewitterwolken erzeugt werden und Tausende von Kilometern entlang der Magnetfeldlinien der Erde zurücklegen. Ein erheblicher Anteil davon sind Positronen.
Angesichts dieser Entdeckung erscheinen Gewitter in neuem Licht. Thors Hammer erzeugt nicht nur Funken (Blitze) und Lärm (Donner), er erzeugt Antimaterie. Solche Entdeckungen macht man nicht, wenn man die billigen übernatürlichen Erklärungen nachbetet. Man muss dazu die bekannten »Tatsachen« immer wieder wissenschaftlich infrage stellen.
Selbst vertraute Ursprünge führen im Lauf der Zeit zu neuen Geschichten. Auf der Suche nach rationalen Erklärungen für Ursprünge reagiert die Wissenschaft oft mit einem Paradigmenwechsel auf neues Faktenmaterial oder eine neue Idee. Der Ursprung von Erde und Mond ist ein gutes Beispiel und zeigt einige merkwürdige Wendungen. Eine davon war ein kurzzeitiges Unvermögen, das Paradigma zu wechseln, um neue Tatsachen zu berücksichtigen.
In diesem Fall sind eher zu viele als zu wenige Anhaltspunkte das Hauptproblem. Wir können die Struktur der Erde untersuchen, die in Stein geschriebene Entwicklung betrachten und zum Mond fliegen, um Proben zu holen. Aber in mancher Hinsicht macht dieser Reichtum an Material die Sache nur komplizierter. Was bedeutet das alles? Wir versuchen 4,5 Milliarden Jahre später herauszufinden, was geschehen ist. Damals existierte das Universum bereits seit rund neun Milliarden Jahren (nach der Urknall-Theorie, den meisten Alternativen zufolge sogar noch länger). In allen kosmologischen Theorien wird der Zustand des Universums im Lauf der Zeit komplizierter. Als das Sonnensystem entstand, war also eine Menge Material vorhanden.
Wie sich dieses Material zum System Erde-Mond zusammenballte, müssen wir aus den heutigen Beobachtungen logisch erschließen. Dazu gehören Daten von Asteroiden, von der Sonne und den anderen Planeten sowie aus der detaillierten Kenntnis der Struktur der Erde und des Mondes. (Wir sagen » des Mondes«, obwohl es einer neuen Hypothese zufolge in diesem Stadium vielleicht zwei oder mehr Monde gab.) Es ist klar, dass es eine Zeit gab, bevor die Erde existierte, und dann entstand die Erde. Der Mond stellte sich ein paar Hundert Millionen Jahre später ein. Beide Ursprünge sind miteinander verknüpft, und wir können den einen nicht erklären, wenn wir den anderen außer Acht lassen.
Das Hauptproblem beim Ursprung des Mondes und der Entstehung der Erde besteht darin, dass Mondgestein in feinen chemischen Einzelheiten dem Erdmantel sehr ähnlich ist. Der Erdmantel ist die dicke Gesteinsschicht, die unmittelbar unter der kontinentalen und ozeanischen Kruste liegt, über dem Eisenkern. Insbesondere sind die Anteile unterschiedlicher Isotope mehrerer Elemente im Gestein aus beiden Quellen dieselben. Diese Übereinstimmung ist zu unwahrscheinlich, um mit früheren Theorien von der Bildung des Mondes vereinbar zu sein, etwa dass die beiden Körper unabhängig voneinander aus der die Sonne umgebenden Staubwolke kondensierten oder dass das Gravitationsfeld der Erde den Mond einfing, als er vorbeiflog. George Darwin, ein Sohn Charles Darwins, nahm an, der Mond habe sich von einer schnell rotierenden Erde abgelöst, aber die Mechanik – wie Energie und Drehmoment, ein Maß für die Rotation – funktioniert dabei nicht richtig. Außerdem sind Erde und Mond nicht einfach aus Staub kondensiert. Astrophysiker und Geophysiker denken inzwischen, dass sich die Erde aus vielen winzigen Planetesimalen zusammenfügte, die Teil einer großen Scheibe mit der knospenden Sonne in der Mitte waren. Unsere Teleskope sind mittlerweile gut genug, um mehrere solcher Scheiben rings um junge Sonnen in benachbarten Sternensystemen zu beobachten. Man hat viele davon gefunden, was die Theorie untermauert.
Zwischen dem Jahr 2000 und Mitte 2012 stimmten Astrophysiker und Geophysiker größtenteils darin überein, dass der Mond aus einem gewaltigen Zusammenstoß der frühen Erde mit einem Objekt etwa von Marsgröße entstanden ist. Sie nannten das Objekt Theia nach der Mutter der Mondgöttin Selene. Bei diesem
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