Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
dem Maß, wie sich die Ladung aufbaut, nimmt das elektrische Potenzial zwischen der Wolke und dem Erdboden zu. Schließlich wird es groß genug, damit sich ein Blitz seinen eigenen Weg zwischen Wolke und Boden bahnt, entlang einer Bahn von ionisierter Luft mit geringerem Widerstand. Aus dem Boden aufragende Metallspitzen oder die Spitzen hoher Gebäude wie Kirchen geben besonders gute Ziele ab. Wenn solche fehlen, kann ein Mensch, der über einen Hügel geht, das Pech haben, zum irdischen Ende des Blitzschlags zu werden.
Ein Gewitter scheint einfacher zu sein, als wenn aus einer Eichel eine Eiche wird, weil das Gewitter nicht allzu viel verwickelte Organisation benötigt. Doch selbst ein Gewitter ist nicht so einfach, wie wir es uns vorzustellen pflegen: Wir wissen nicht, wie sich das elektrische Potenzial aufbaut. Auf der Rundwelt gibt es jedes Jahr 16 Millionen Gewitter, aber wir haben eigentlich immer noch keine sichere Kenntnis, wie sie sich ereignen. Kein Wunder, dass es uns schwerfällt zu verstehen, wie aus einer Eichel eine Eiche wird.
Was den Ursprung betrifft, den Beginn des Gewitters, den Beginn wovon auch immer … Müssen wir, um Gewitter zu erklären, Wolken erklären? Die Bestandteile der Atmosphäre? Statische Elektrizität? Die Elemente der Physik und der physikalischen Chemie? Der Ursprung von jedwedem Ding liegt in der Wechselwirkung vielfacher Ursachen. Um den Ursprung von einem Gewitter oder etwas anderem zu erklären, müssen in der Praxis sowohl der Erklärende als auch der, dem es erklärt wird, eine Menge Wissen auf vielen verschiedenen Gebieten teilen. Leider kann es sein, dass dieses Wissen fehlt.
Sie können Englischlehrer sein, Buchhalter, Hausfrau, Psychologe, Kaufmann, Bauarbeiter, Banker oder Student. Wahrscheinlich sind Ihnen manche Formulierungen wie »gesättigte Lösung« oder »Partikel trägt eine winzige elektrische Ladung« bisher nicht begegnet. Und diese Formulierungen sind selbst Vereinfachungen von Konzepten mit viel mehr Querverbindungen und größerer intellektueller Tiefe, als jemand erwartungsgemäß selbst hervorbringen kann.
Wir können Biologielehrer, Mathematiker oder sogar Wissenschaftsjournalist sein und über eine größere geistige Datenbank auf solchen Gebieten verfügen. Selbst dann hätten wir noch Schwierigkeiten, den Ursprung des Gewitters zu erklären, weil wir ihn nicht tiefgründig genug verstehen. Keiner von uns ist Meteorologe. Und selbst wenn wir es wären, könnten wir dennoch kein hinreichend tiefes Verständnis erzeugen, um zu sagen: »Ach ja, jetzt verstehe ich das.« Jack ist Embryologe und kennt sich mit Eiern und Embryonen einigermaßen gründlich aus; er hätte sogar bei diesen Beispielen dasselbe Problem aus demselben Grund. Der Ursprung von absolut allem auf der Rundwelt – auf ihr, in ihr, über ihr, bis hinauf zu allem, was existiert – ist ein kompliziertes Geflecht aus enorm vielen Faktoren, über die wir sehr wenig wissen.
Ein Weg, sich vor diesen Themen zu drücken, ist ein Appell an göttliche Schöpfung. Wer an einen Schöpfergott glaubt, kann übernatürliche Eingriffe heranziehen, um was auch immer zu erklären – vom Universum bis zu Gewittern. Thor leistet großartige Arbeit mit seinem Hammer: Sache erledigt, Donner erklärt. Oder glauben Sie das nicht? Sie halten diese Erklärung für eher unbefriedigend, weil dann erklärt werden müsste, wie die Götter entstanden und woher sie ihre Macht beziehen. Vielleicht ist es gar nicht Thor, sondern Jupiter. Vielleicht ist es eine riesige unsichtbare Schlange, die sich über den Boden windet. Vielleicht ist es ein außerirdisches Raumschiff, das die Schallmauer durchbricht.
Es gibt ein paar ziemlich raffinierte Schöpfungsgeschichten, wie in Kapitel 4 erwähnt, aber keine davon ist eine echte Erklärung. Dieselbe Wortgestalt »erklärt« absolut alles und würde ebenso gut eine Menge Dinge scheinbar erklären, die überhaupt nicht vorkommen. Wenn Sie glauben, dass der Himmel blau ist, weil Gott ihn so gemacht hat, wären Sie in gleichem Maß zufrieden, wenn er rosafarben oder gelb mit Purpurstreifen wäre, und Sie könnten dieselbe Erklärung abgeben. Wenn Sie andererseits die Farbe des Himmels durch die Lichtstreuung von Staub in der Hochatmosphäre erklären und entdecken, dass die Intensität des gestreuten Lichts umgekehrt proportional zur vierten Potenz der Wellenlänge ist, dann verstehen Sie, warum kurzwelliges blaues Licht gegenüber den größeren Wellenlängen von
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