Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
Vom Netzwerk:
organischen Verbindungen mit sich führen; sie können sogar im leeren Raum entstehen. Das wäre also eine weitere plausible Quelle für organische Chemikalien. Kurzum, es waren reichlich kleine organische Moleküle vorhanden, und zwar aus Gründen, die nichts mit lebenden Organismen zu tun haben.
    Diese einfache Chemie ist zwar ein vielversprechender Anfang, reicht aber nicht aus. Die Schlüsselmoleküle in Organismen sind weitaus komplizierter; sie enthalten wesentlich mehr Atome, die auf ziemlich spezifische Weise angeordnet sind. Graham Cairns-Smith hat die Annahme geäußert, dass Lehmmoleküle ideale Katalysatoren wären, um einfache organische Verbindungen in Polymere von jener Art zu verwandeln, die in Lebewesen gefunden werden: Sie könnten Aminosäuren zu Peptiden und Proteinen verknüpfen und möglicherweise Basen mit Phosphor und Zuckern zusammenschließen, sodass kurze Ketten von Nukleinsäuren entstehen, darunter RNS und DNS . Abermals bedarf es nichts als gewöhnlicher Chemie, um dies zu erreichen, und an dem Prozess sind keine Lebewesen beteiligt. Es wäre also verwunderlich, wenn es nicht viele Polymere in den Urmeeren gegeben hätte. Wir haben vielleicht Schwierigkeiten, mit ihrer Komplexität zurechtzukommen, aber die Natur folgt einfach den Regeln, und daraus ergibt sich unvermeidlich eine gewisse Komplexität.
    Polymere sind jedoch nicht lebendig. Sie pflanzen sich nicht fort, vervielfältigen sich nicht einmal, außer in sehr speziellen Situationen. (Vervielfältigung ist die Herstellung exakter Kopien; Fortpflanzung ist die Herstellung unexakter Kopien, die sich trotzdem fortpflanzen können. Das ist flexibler, aber noch schwerer zu verstehen.) Vervielfältigung oder Fortpflanzung scheinen nicht schlechthin Komplexität zu erfordern, sondern organisierte Komplexität, und es ist schwierig zu erkennen, woher die Organisation kam. Dennoch können manche von diesen speziellen Situationen völlig natürlich bei bestimmten Lehmarten auftreten, die selbst Vervielfältigung zeigen. In wässriger Umgebung können kleine Lehmplättchen ohne jede Hilfe Stapel von fast identischen Kopien bilden.
    Seit den späten 1990er-Jahren, als wir in den Gelehrten der Scheibenwelt einige der aktuellen Ideen über den Ursprung des Lebens schilderten, hat sich viel verändert. Damals schenkten wir den Ideen von Gunther Wächtershäuser besondere Aufmerksamkeit. Seine Hypothese unterschied sich von der damals konventionellen Miller-Urey’schen Ursuppe, die spontan sich replizierende Nukleinsäuren hervorbrachte, das erste Erbgut. Wächtershäuser nahm stattdessen an, als Erstes sei es zu einem Metabolismus gekommen, zu funktionierender Biochemie. Dies habe auftreten können, wo es viel Schwefel, Eisenoxid und Eisensulfid gab, dazu eine geeignete Wärmequelle, um die Chemie in Gang zu halten. Ein möglicher Ort, der diese Zutaten besitzt, ist ein Schwarzer Raucher am Boden des Ozeans, wo sich der Meeresgrund ausweitet und durch Risse geschmolzenes Gestein aus dem Mantel an die Oberfläche dringt. Weniger dramatisch bewirken unterseeische Vulkanschlote dasselbe Ergebnis. Mit dieser Eisen-Sauerstoff-Schwefel-Chemie kam Wächtershäuser auf eine Gruppe von chemischen Reaktionen, die dem Krebszyklus* [* Der Krebszyklus hat weder mit der Krankheit noch mit den Krebsen zu tun, sondern ist nach dem Nobelpreisträger Sir Hans Adolf Krebs benannt. Man findet ihn auch unter dem Namen »Citronensäurezyklus«. – Anm. d. Übers. ] sehr nahekommt, dem zentralen biochemischen System bei fast allem, was lebt.
    In Laborexperimenten lieferte sein Szenario recht brauchbare, wenn auch keine hundertprozentigen Ergebnisse. So wurde die Theorie vom Ursprung des Lebens zu einer Urpizza mit Molekülen, die auf einer Oberfläche verstreut waren, statt einer Ursuppe, die in offenen Tümpeln oder im Meer umherschwappte. 1999 gefiel uns die Idee, weil sie sich von den Systemen unterschied, bei denen das Erbgut zuerst kam: Wir konnten nicht verstehen, wieso diese Systeme sich notwendigerweise vervielfältigen sollten. Zudem war Wächtershäuser sowohl Rechtsanwalt als auch Biochemiker, und es ist ungewöhnlich, dass ein Anwalt gute, originelle wissenschaftliche Ideen liefert.
    Seither hat allerdings eine andere Idee, die RNS -Welt, Furore gemacht. RNS und DNS sind beides Nukleinsäuren; sie heißen so, weil sie in den Kernen (nuclei) von Zellen vorkommen. Es gibt viele andere Arten von Nukleinsäuren, manche sind viel einfacher als DNS und RNS ,

Weitere Kostenlose Bücher