Das juengste Gericht
der Hand, suchen aber danach?«
Wieder war Schreiner einen Moment um die Antwort verlegen. »Wir suchen nicht gezielt nach Hinweisen, die Herrn Krawinckel in die Nähe der Täterschaft für das Tötungsdelikt rücken.« Er entnahm dem Gesichtsausdruck von Frau Janssen, dass sie sich mit dieser Angabe nicht zufriedengeben würde.
»Wir wollen wissen, aus welchen Gründen er sich um das Kind kümmerte. Vielleicht weiß er aus dieser Verbindung heraus etwas Wichtiges für die Aufklärung des Verbrechens, ohne die Bedeutung richtig einzuschätzen. Das mag alles ganz harmlos sein, zumal der Adoptivvater des Kindes ein alter Schulfreund von ihm ist, dem er mindestens einmal schon aus einer Verlegenheit geholfen hat.«
»Sie sagen, dass Phillip den Vater des getöteten Mädchens kennt. Würden Sie mir seinen Namen verraten?«
»Wolfgang Beuchert.«
Veronika Janssens verzog das Gesicht, so dass ihre Nase seitlich kleine Fältchen bildete. Ihre Miene drückte aus, dass sie mit dieser Unterrichtung immer noch nicht zufrieden war. Sie schaute aus dem Fenster. »Wollen Sie nicht auch gerne einen Kaffee? Ich bin eine schlechte Gastgeberin. Danach hätte ich Sie gleich fragen müssen.«
Ein Lächeln überzog Schreiners Lippen. »Wenn Sie sich sowieso einen machen, sage ich nicht nein.«
Sie stand auf. »Er ist schon fertig. Entschuldigen Sie mich bitte für einen Augenblick.«
Als sie nach draußen gegangen war, atmete Schreiner tief durch, zog noch einmal an seiner Kippe und drückte sie aus. Bei dieser Unterhaltung würde er jedes Wort auf die Goldwaage legen müssen.
Mit einem kleinen Silbertablett, auf dem eine mit Kaffee gefüllte Glaskanne, Tassen und das übliche Zubehör aufgebaut waren, betrat Veronika Janssen wieder den Raum. Schreiner sprang auf, um ihr zu helfen.
»Bleiben Sie sitzen. Ich komme alleine zurecht. Ich bin schon groß.«
Schreiner musste lachen. Sie stellte alles auf der obersten Etage des dreistufigen Glastischs ab. »Bedienen Sie sich und sagen Sie mir, was Sie von mir wissen wollen.«
Mit Erleichterung verzeichnete Schreiner, dass sie sich offenbar entschlossen hatte, ihm zu helfen. Er schenkte ihr und sich Kaffee ein. »Zu Beginn nur ein paar Kleinigkeiten zur Person. Sie haben nach der Ehe mit Herrn Krawinckel nicht wieder geheiratet?«
Frau Janssen strich den Saum ihres Kleides glatt und zog ihn bis unterhalb der Kniescheiben. »Das stimmt. Wofür ist das wichtig?«
»Die Personalien, die wir von Ihnen in unseren Vorgang aufnehmen, müssen zutreffend sein. Janssen ist Ihr Mädchenname?«
Sie lachte und antwortete in überspitztem Hochdeutsch. »Ja! Mein Vater war Kaufmann in Bremen. Der Name Janssen ist im Norddeutschen beheimatet. Ich finde ihn schöner als Krawinckel.«
»Ihren Beruf?«
»Ich habe Jura studiert und das Studium erfolgreich abgeschlossen. Allerdings habe ich nie in meinem Beruf gearbeitet. Bevor Sie jetzt nach dem Warum fragen und ich Ihnen antworte, dass Sie das eigentlich nicht interessieren muss, sage ich von mir aus, dass ich nicht berufstätig sein wollte und zum Glück auch nicht musste.«
Schreiner schmunzelte. »Wenn Sie damit fortfahren, brauche ich gar keine Fragen mehr zu stellen.«
»Während meiner Ehe mit Phillip warf seine Bank sehr viel ab. Wir konnten unseren Lebensstandard auf hohem Niveau halten.«
»Immer? Es gab, wie ich weiß, einmal eine Schieflage der Bank, die von außen als existenzbedrohend angesehen wurde. Herr Krawinckel soll viel Geld nachgeschossen haben, um den Untergang der Bank zu verhindern.«
Sie zog die Augenbrauen hoch und zuckte die Schultern. »Das mag sein, hat mich aber nie interessiert. Phillip und ich verstanden unser Zusammenleben so, dass er den finanziellen Bedarf abzudecken hatte. Wie er das tat, war seine Sache. Ich habe mich nicht darum gekümmert und ihm nicht hineingeredet. So war es ihm und mir am liebsten.«
Schreiner setzte eine erstaunte Miene auf. »Wollen Sie damit zum Ausdruck bringen, dass Sie über den gesamten geschäftlichen Hintergrund ihres früheren Mannes nichts wissen?«
Begleitet von einem kindlichen Gelächter klatschte sie in die Hände. »Genau! Sie haben es erfasst. Warum hätte mich das interessieren sollen? Ich wollte dafür einfach keine Zeit verschwenden. Alles war doch in bester Ordnung. Natürlich habe ich einmal am Rande mitbekommen, dass etwas nicht rund lief. Phillip sagte mir damals, dass die entstandene Aufregung gespielt sei und in wenigen Tagen wieder Ruhe einkehre. So war es
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