Das juengste Gericht
Namen Beucherts stellen?«
Schreiner sah sie erstaunt an. »Tut mir leid. Diese Frage verstehe ich jetzt nicht.«
Immer noch zögerte Veronika Janssen. Ein Ruck ging durch ihren Körper. »Lisa-Marie ist der Augapfel Phillips. So etwas wie sein Gewissen. Manchmal meint er, sie bemitleiden zu müssen. Ein anderes Mal sieht er sich mit ihr in einem Boot.«
»Jetzt sprechen Sie wirklich in Rätseln. Das ist mir zu hoch.«
»Um es kurz zu machen. Herr Beuchert hat sich früher viel um Lisa-Marie gekümmert. Er tat es Phillip zuliebe, der durch die Bankgeschäfte wenig Zeit hatte. Mit ihr ging er ins Kino und besuchte Freizeitparks und Jahrmärkte.«
»So, wie Herr Krawinckel später mit seiner Adoptivtochter?« Frau Janssen machte eine mäßigende Handbewegung. »Alles der Reihe nach. Eines Tages fuhr Herr Beuchert mit Lisa-Marie zu dem Wochenendhaus in Freiensteinau, betrank sich, wie so häufig, und trat ihr zu nahe. Fragen Sie mich bitte nicht nach den Einzelheiten. Ich kenne sie nicht.«
»Woher wissen Sie das?«
»Phillip hat es mir erzählt. Er mag viele Fehler haben, belogen hat er mich nie. Außerdem gab es noch eine Entwicklung, welche die Angaben von Phillip bestätigte.«
»Nämlich?«
»Lisa-Marie veränderte sich von einem Tag auf den anderen. Vor diesem Ereignis war sie ein aufgeschlossener Mensch. Seit jenem Tag war es, als habe sie sich von der Welt zurückgezogen. Sie war selbst auf einfachem Niveau nicht mehr ansprechbar.«
»War Lisa-Marie von Geburt an geistig zurückgeblieben oder hat sie sich erst nach diesem Vorfall in die geistige Abwesenheit oder in eine Art Kinderrolle geflüchtet?«
»Nein, eine Geistesschwäche war schon immer vorhanden. Aber ihr Wesen hat sich dadurch verändert. Früher war sie immer fröhlich, ein sonniges Gemüt. Nach dieser Untat fiel sie ins Stadium eines Kleinkindes zurück und wirkte oft düster und verschlossen. Vielleicht verdrängte sie das Geschehen auf diese Weise.«
»Wie hat Herr Krawinckel auf den Vorfall reagiert?«
»Nun, erst einmal hat er Lisa-Marie unter seinen besonderen Schutz gestellt. Er machte sich Vorwürfe, dass er die Entwicklung hätte erkennen und verhindern können. Von Herrn Beuchert ließ er sich ein schriftliches Schuldanerkenntnis geben.«
»Mehr nicht? Warum hat er ihn nicht angezeigt?«
»Sie kennen offenbar Phillip nicht. Das hätte er nie getan. Er fürchtete öffentliche Aufmerksamkeit, vor allem Zeitungsberichte. Das hätte seinem Ruf geschadet.«
»Mit anderen Worten, er hat lediglich ein Drohmittel gegen Beuchert eingefordert und ihn ansonsten ungeschoren gelassen?«
»Sie mögen es so sehen. Allerdings haben Sie vorhin selbst erkannt, dass Phillip später in vergleichbarer Form eine Tochter von Herrn Beuchert umsorgte, wie dieser sich zuvor mit LisaMarie beschäftigt hatte.«
Wiederum zuckte Schreiner zusammen. »Meinen Sie das mit allen Konsequenzen? Ich will deutlicher fragen. Wissen Sie, ob sich Ihr Ex-Mann dem Adoptivkind von Beuchert sexuell genähert hat?«
»Das kann ich so nicht bestätigen, weil es nach meiner Zeit war. Dazu müssten Sie die jetzige Frau Krawinckel hören. Ich selbst will nicht ausschließen, dass es so war. Phillip hat einmal eine Bemerkung gemacht, dass ihm eine Gegenleistung für die Untat an Lisa-Marie eingefallen sei.«
»Die Gegenleistung waren Liebesdienste des Kindes?« Schreiner musste schlucken. »Fühlte sich Krawinckel sexuell zu Kindern hingezogen? Konnten Sie während der Zeit Ihrer Ehe derartige Feststellungen treffen?«
Zunächst schwieg Veronika Janssen eine Weile, als müsse sie lange in ihren Erinnerungen suchen. Sie lehnte sich weit zurück, zupfte an ihrem Rock und dachte nach. »Nein, nicht wirklich.
Allerdings bin ich den Dingen nicht nachgegangen. Manchmal war mir Phillip unheimlich. Es gab Phasen, während der er nichts redete und nur in sich gekehrt dasaß. Dann wiederum brachte er Stunden am Computer zu, ohne dass ich gewusst hätte, welche Arbeiten er daran erledigte. Phillip hatte keine nennenswerte Korrespondenz und hasste Schreibarbeiten.«
Schreiner machte ein ungläubiges Gesicht. »Entschuldigen Sie, wenn ich das so sage, aber er war doch Ihr Ehemann. Interessierte es Sie tatsächlich nicht, was in ihm vorging und was er so trieb?«
»Zu jener Zeit hatten wir uns längst auseinandergelebt. Mir war gleichgültig, warum sich Phillip so verhielt, wie ich es Ihnen eben geschildert habe. Es gab keine gemeinsame Basis mehr.«
»Seien Sie mir nicht böse,
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