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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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haben Sie zum Beispiel die detailgetreue Wiedergabe der Kameras, die konkret und bedrohlich gezeichnet sind. Oder Sie haben das Studio. Vielleicht lässt sich anhand anderer Hinweise herausfinden, wo es einen solchen Raum gibt.«
    »Das Studio, wie Sie es nennen, ist nicht der einzige genauere Hinweis«, sagte Schultz.
    »Natürlich nicht. Ich muss Ihnen die konkreten Punkte nicht einzeln aufzählen. Sie können sie selbst erkennen. Nehmen Sie etwa die stark vergrößerte Uhr in dem Studio. Vielleicht ist es eine Wasseruhr. Wenn Sie dieses Ding in einem vergitterten Raum entdecken, würde das meine Bewertungen bestätigen oder jedenfalls unterfüttern.«
    Schultz lächelte. »Auf den Gedanken, dass es sich bei der Uhr um eine Wasseruhr handeln könnte, bin ich bisher nicht gekommen. Für Ihre Annahme könnte sprechen, dass nur ein einziger Zeiger gemalt ist. Was bedeutet es, wenn ich für einen Teil der Hinweise in den Bildern eine konkrete Bestätigung finde? Heißt dies zwangsläufig, dass auch die übrigen Aussagen in den Bildern zutreffen müssen?«
    »Ich glaube, dass ich Ihre Frage verstanden habe. Eine einzige Bestätigung dürfte bei der Informationsmasse auf drei Bildern zu wenig sein, um davon auszugehen, dass alle anderen Abbildungen ebenfalls einen realen Hintergrund haben. Andererseits reichen einige repräsentative Belege für die Richtigkeit des gesamten Aussageinhalts auf den Malereien aus.«
    »Noch eine Frage zum Beweiswert der Bilder. Kann man sagen, dass Darstellungen kleinerer Kinder weniger glaubhaft sind als die älterer Kinder?«
    Frau Reiche neigte den Kopf leicht zur Seite. »In der Tat. Bei Kindern bis zu sieben Jahren gehen Fantasie und Wirklichkeit oft noch sehr durcheinander. Wenn jedoch, wie in Ihrem Fall, ein elfjähriges Mädchen eine Aussage macht oder ein Bild malt, so ist die darin enthaltene Mitteilung ernst zu nehmen.«
    »Nun hat es ja vor einigen Jahren einmal ein Verfahren gegeben, bei dem davon auszugehen war, dass die belastenden Angaben über sexuelles Fehlverhalten erst in die Kinder hineingefragt worden war. Die Kinder waren damals so massiv zu einem bestimmten Aussageverhalten gedrängt worden, dass sie das Gehörte für eigenes Erleben hielten. Besteht diese Gefahr bei den vorliegenden Bildern auch?«
    »Diese Problematik habe ich Ihnen im Grunde schon beantwortet, als Sie nach der Trennung von Fantasie und Wirklichkeit gefragt haben. In Ihrem Fall spricht die bemerkenswerte Präzision der Malereien gegen eine durch Beeinflussung erfundene Darstellung.«
    Schultz packte seine Unterlagen und die Bilder wieder ein. Er lächelte. »Ihre Begutachtungen waren so gehaltvoll, dass sie mir erlauben, die nächsten Ermittlungsschritte einzuleiten. Haben Sie vielen Dank für Ihre Unterstützung.«
    Frau Reiche begleitete ihn nach draußen.

29. Kapitel
    »In einhundertdreißig Metern rechts abbiegen. Dann haben Sie Ihr Ziel erreicht. Das Ziel liegt auf der rechten Straßenseite«, sagte das GPS. Schreiner folgte der Aufforderung und stellte beim Abbiegen zufrieden fest, dass auf dem Straßenschild der Name »Rathenaustraße« geschrieben stand.
    Er parkte den betagten neutralen Dienstwagen der Polizei vom Typ Ford an dem frisch gefegten, völlig autofreien Straßenrand und zündete sich noch schnell eine Zigarette an. Aus Erfahrung wusste er, dass nie verlässlich kalkulierbar war, wie viel Zeit eine Vernehmung in Anspruch nehmen würde. Es war ihm schon passiert, dass er jemand mit nur einer einzigen Frage aufgesucht und die vollständige Beantwortung mit allen sich entwickelnden Nachfragen mehrere Stunden gedauert hatte. In diesen Situationen hatte er sich schon manchmal gewünscht, dass er das Rauchen aufgegeben hätte. Die Sucht konnte ihn so übermannen, dass seine Konzentrationsfähigkeit darunter litt.
    Den heutigen Besuch in der Gemeinde Winterbach am Fuße des Soonwaldes hatte er vorsorglich mit den Kollegen im benachbarten Bundesland Rheinland-Pfalz abgestimmt. Nach seinen Ermittlungen hatte sich die Ex-Frau von Phillip Krawinckel dort niedergelassen.
    »Nobel«, murmelte Schreiner vor sich hin, als er auf den ausladenden Bungalow im Topzustand zuging. Er rechnete kurz nach, wie lange er wohl arbeiten gehen müsse, um sich so etwas zu leisten, brach die Überlegung jedoch ziemlich schnell wieder ab. Zu mehr als einem Wohnwagen auf einem kleinen Grundstück in der Provence hatte er es noch nicht gebracht. Seine Perspektiven waren überschaubar.
    Schreiner strich seine

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