Das juengste Gericht
Schmerzmittel, alles wird über die Computer geregelt.«
Die an Beuchert angeschlossenen Schläuche liefen zu seinem Bett und verschwanden unter der dünnen weißen Decke irgendwo in seinem Körper. Eine der Maschinen ließ in geringen Zeitabständen ein Geräusch hören.
Beuchert sah verheerend aus. Seine Hautfarbe war gelblich, seine Wangen waren eingefallen und von tiefen Furchen durchbrochen. Das Haar klebte fettig an seinem Kopf. Die Lippen waren trocken und überzogen von abblätternden Hautpartikeln. Die Augen waren halb geöffnet. Sie schienen ohne vorhandenes Leben. Als die drei Männer eintraten, versuchte Beuchert, seinen Kopf zu drehen. Im selben Augenblick nahm er unverrichteter Dinge wieder Abstand von dem Vorhaben. Ein lang gezogenes Stöhnen drang aus seinem Mund. Er starrte nach oben.
Doktor Maier beugte sich über ihn, so dass Beuchert ihn sehen konnte. »Hier ist der Besuch, von dem ich gesprochen habe, Herr Beuchert.« Er wandte sich Schreiner und Köhler zu. »Bitte sehr, meine Herren. Ich lasse Sie jetzt mit dem Patienten alleine, damit Sie ihm Ihre Fragen stellen können. In fünfzehn Minuten komme ich wieder. Bis dahin müssen Sie fertig sein. Mehr kann ich nicht verantworten.«
Als Doktor Maier gegangen war, lehnten sich die beiden Beamten so über Beucherts Bett, dass er sie sehen konnte. Sie stellten sich vor. Köhler ging zum Fußende des Betts. »Wie geht es Ihnen, Herr Beuchert? Hatten Sie eine ruhige Nacht?«
Beuchert verdrehte die Augen. Seine Stimme klang flach und gepresst, seine Rede war stockend. »Entsetzlich. Jedenfalls, soweit ich mich erinnere. Ich nehme an, dass ich anfangs ruhig gestellt war. Dann kamen die Fratzen auf mich zu. Wände voller Fratzen. Ich hatte panische Angst. Wie in einem Horrorfilm. Auf einmal erschien Sunita wie aus dem Nichts.«
Mit verständnisvoller Geste ermunterte Köhler ihn zum Weitersprechen. Beuchert leckte sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Ich hatte Angst und schrie sie an, dass sie mich in Ruhe lassen solle. Ihr Bild verfolgte mich und setzte sich wie ein Pfropf in meinem Unterbewusstsein fest. Du bist schuld, schleuderte sie mir immer wieder entgegen. Du hättest alles verhindern können, wenn du nicht so erbärmlich egoistisch und schwach gewesen wärst. Du hast mein Leben deinen Interessen geopfert.«
»Was war das für eine Beziehung, die Sie zu Sunita unterhielten? Hat Sunita Sie als Ersatz ihres Vaters akzeptiert?«, fragte Köhler.
Eine Träne floss aus Beucherts Auge in die tiefen Furchen seiner Wange. »Am Anfang schon. Dann kam dieser Teufel von Krawinckel dazu. Er veränderte alles.«
Schreiner bog seinen Rücken nach hinten durch, ging zu Köhler ans Bettende und sah Beuchert an. »Inwiefern? Erzählen Sie einfach weiter.«
»Da war dieser Abend mit seiner Schwester, Lisa-Marie. Ich hatte ihm auf seinen Wunsch das Wochenendhaus im Vogelsberg übereignet. Wir tranken darauf das eine oder andere Glas. Dann überließ er mich Lisa-Marie.«
Mit skeptischem Blick musterte ihn Schreiner. »Er tat was? Wie ging das vor sich?«
»Lisa-Marie tut alles, was Phillip von ihr will. Er forderte sie auf, ein bisschen mit mir Spaß zu machen, und ließ uns zeitweise allein. Wo er abgeblieben war, weiß ich nicht. Ich stand gewaltig unter Alkohol. Wahrscheinlich ging ich zu weit. Wir balgten miteinander. Dabei bin ich ihr wohl näher getreten, als sich das schickte. Das hätte ich dem armen Mädchen nicht antun dürfen. Am nächsten Tag habe ich an mir keine Verletzungen oder Kratzer festgestellt. Also dürfte ich nichts gegen ihren Willen getan haben. Sonst hätte sie sich gewehrt. Das scheint mir wichtig zu sein. Ehrlich gesagt, habe ich keine wirkliche Erinnerung mehr daran, was an diesem Abend passiert ist.«
Schreiner gab einen würgenden Ton von sich. »Meinen Sie, dass Krawinckel es auf diese Entwicklung angelegt hatte.«
»Ganz ohne Zweifel. In der Folgezeit ließ er mich zuerst ein Eingeständnis meines Fehlverhaltens unterschreiben, das er entworfen hatte. An die Formulierung erinnere ich mich nicht mehr. Er drohte damit, dass meine Begegnung mit Lisa-Marie nicht folgenlos bleiben würde. Gleichzeitig hat er mich auf Sunita angesprochen. Er schwärmte davon, wie schön es für sie in dem Häuschen im Vogelsberg sein würde. Künftig wolle er sie öfter dorthin mitnehmen. Sie scheine ihm oft so traurig, weil meine Frau und ich zu wenig Zeit für sie aufbrächten. Er wolle ihr das Lachen zurückbringen.«
»Was
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