Das Juwel der Elben
wenn die beiden zum Thronjubiläum meines Mannes die Königskutsche zu Bruch gefahren haben.“
„Oh“, entfuhr es Sarwen.
„Aber diesmal wird Koy auf dem Bock sitzen“, fügte die Königin hinzu, „und der fährt wirklich wie ein Wahnsinniger!“
Der Wagen hatte eine regendichte Fellplane, die über ein Gestell aus Rundbögen gespannt war, und die Räder waren mit einer dunklen Masse beschichtet, die für Daron und Sarwen völlig neuartig war. Daron betastete vorsichtig eines der Räder, bevor er aufstieg. Die Masse klebte ein wenig, löste sich aber nicht vom Holz des Wagenrads.
„Das Zeug kommt aus Erdlöchern in den Bergen von Hocherde“, berichtete Koy der Halbling. „Außerdem sind die Achsen frisch mit Pech eingerieben. Dadurch fährt der Wagen leichter. Bei uns zu Hause im Reich der Halblinge von Osterde ist es üblich, dafür das sogenannte Schmiergeld zu zahlen, wenn ein Fuhrmann seine Achse vor Fahrtantritt mit Pech einschmiert. Pech ist nämlich sehr kostbar, aber in diesem Fall ist mir nichts zu teuer. Schließlich geht es für mich ebenso um alles oder nichts wie für die Kleinlinge.“
Daron bestand trotz aller Warnungen der Königin darauf, sich vorn zu Koy auf den Kutschbock zu setzten, während Sarwen zusammen mit den Kleinlingen Mik und Mok im hinteren Teil des Wagens Platz nahm, wo auch ein paar Kisten mit Proviant untergebracht waren. Mit einem Schnalzen brachte Koy die vier braunroten Pferde dazu, sich in Bewegung zu setzen, und im nächsten Moment ruckelte der Wagen an. Schließlich fuhren sie die Straße entlang, die Richtung Süden führte, und Koy sorgte dafür, dass der Wagen immer schneller fuhr.
„Was wird denn nun eigentlich aus der Kiste mit den Dunkelsehern?“, fragte Mik den Halbling. Er brauchte noch nicht einmal laut zu schreien, denn aufgrund der besonderen Beschichtung der Räder machte die Kutsche trotz der schnellen Fahrt gar nicht so viel Lärm, wie man es eigentlich hätte erwarten können.
„Eigentlich hatte ich ja vor, mich morgen früh auf eine Fahrt in den Süden zu machen“, erwiderte Koy, „und da hätte ich die Kiste natürlich mitgenommen. Dort im Süden gibt es viele Kunden, die auf nichts so sehnlich warten wie auf einen Dunkelseher, damit sie endlich nicht mehr zu blinzeln brauchen, wenn ihnen die Sonne ins Gesicht scheint.“ Er wandte sich kurz Daron zu und fuhr fort: „Wir sind nämlich ziemlich gut im Geschäft, musst du wissen. Eigentlich ist es sogar so, dass wir mit der Produktion nicht nachkommen und große Mühe haben, die Nachfrage nach Dunkelsehern gerade im Süden zu befriedigen.“
„Angeber!“ , drang Sarwens Gedanke dazwischen – aber den konnte zum Glück nur Daron vernehmen.
Er musste lächeln. Angeber konnte Sarwen nämlich nicht ausstehen, und Koys großspurige Art hatte sie schon gleich von Anfang an misstrauisch werden lassen.
„Vielleicht sagt er ja auch einfach nur die Wahrheit und ist wirklich so erfolgreich!“, entgegnete Daron auf geistiger Ebene. „Oder hältst du das von vornherein für ausgeschlossen?“
„Zu seinem Glück kann das ja hier niemand überprüfen“, meinte Sarwen.
„Weißt du, Daron, mein Geschäft ist mir wichtig“, sprach der Halbling weiter, „und ich werde bestimmt jede Menge verärgerte Kunden haben, weil sie einige Wochen oder sogar Monate länger auf ihren ersehnten Dunkelseher warten müssen. Aber diese Mission, auf die wir uns hier begeben, ist wichtiger.“
„Ja, das denke ich auch“, murmelte Daron.
„Ich will ehrlich sein: Viel Hoffnung hatte ich nicht, überhaupt noch mal die Spur dieses Fledertiers aufnehmen zu können, und ich glaube, so ist es auch allen Kleinlingen und ihrem König ergangen, der lieber laut gefeiert hat, statt sich Gedanken darüber zu machen, wie er sein Reich vielleicht doch noch retten könnte.“ Koy atmete tief durch. „Na ja, ich will mich nicht über ihn erheben. Schließlich habe ich ja mitgemacht.“
Koy trieb die vier Pferde in den Geschirren zu noch größerer Eile an. Sie jagten förmlich die Straße entlang, die sich von Nord nach Süd einmal quer durch das Reich der Kleinlinge erstreckter. Daron konnte sich gerade noch im letzten Moment festhalten und erkannte, wie recht die Königin mit ihrer Warnung gehabt hatte.
Kapitel 12
Bei der Mühle von Brako dem Müller
Im Morgengrauen erreichten sie die Wassermühle von Brako dem Müller. Sie lag an einem Bach, über den sogar eine kleine Brücke führte, die breit genug war, dass man
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