Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
Vom Netzwerk:
würde, hätte das schreckliche Folgen für mich. Aber« - und zum ersten Mal sah er besorgt aus - »die Folgen für mein Land wären viel schlimmer. Und so bin ich bereit, mit dir eine Vereinbarung einzugehen, Petra.«
    »Was für eine Vereinbarung?«
    »Eine sehr einfache. Du musst mir nur einen kleinen Gefallen tun. Damit könntest du für deine Suche meine Hilfe bekommen.« Er streckte die Arme aus und die dunklen Samtärmel rutschten zurück, sodass Petra zum ersten Mal seine Hände sehen konnte. Seine Fingernägel waren lang, gebogen und scharf und ließen seine Hände wie die Klauen eines Tiers erscheinen. Er griff in die Tasche und zog eine kleine Glasflasche mit einer grünen Flüssigkeit darin hervor. Er zog den Korken heraus, tupfte damit ein bisschen von der Flüssigkeit auf die Spitze seines Zeigefingers wie eine Frau, die sich parfümieren will, dann rieb er seinen linken Daumennagel mit dem öligen Finger ein, bis der Nagel glänzte. »Alles, was du tun musst, ist, diesen Daumennagel sorgfältig zu beobachten und mir zu sagen, was du siehst.«
    Petra hielt das für keine sonderlich gute Idee. Ihr Vater hatte sich zwar nicht darum gekümmert, ob sie wusste, wie sich ein zwölfjähriges Mädchen anzuziehen hatte, doch er hatte darauf geachtet, dass es in bestimmten Bereichen der Erziehung an nichts mangelte, und dazu gehörte zu wissen, wie man sich von gefährlicher Magie fernhielt. Sie wusste ganz genau, dass das, was Dee da vorschlug, nämlich Wahrsagen, sie den Verstand kosten konnte. »Ich dachte, Ihr hättet gesagt, Ihr wärt kein Magier.«
    »Ich hoffe, du glaubst nicht alles, was man dir sagt, meine Liebe.«
    »Und wenn ich nicht auf Euren schmierigen alten Nagel gucken will? Was sollte mich davon abhalten, geradewegs zum Prinzen zu gehen und ihm alles über Eure Pläne zu erzählen? Ihr und Eure blöde Königin wäret wohl nicht so glücklich darüber.«
    »Ich würde alles abstreiten, was du dem Prinzen sagst. Wem glaubt er dann wohl? Dir oder mir? Ich würde offenlegen, wer du bist und welche Pläne du hast. Und dann wären mit einem Schlag« - er schnipste mit den spitzen Fingern - »alle deine Hoffnungen zunichte gemacht, das Augenlicht deines Vaters zurückzubekommen. Ach ja, und ich glaube, du würdest auch dein Leben verlieren.«
    Sie saß genauso in der Falle, als wenn er sie in einen seiner Kästen eingeschlossen hätte.
    »Komm schon, Petra, es ist ein gutes Geschäft.Wie tauschen ein Sehvermögen gegen das andere.«
    »Also, wenn ich Euch sage, was ich sehe, helft Ihr mir, die Augen meines Vaters zurückzubekommen?«

    »Ich habe gesagt, dass ich vielleicht helfe.«
    »Mir kommt das wie ein sehr schlechtes Geschäft vor.«
    »Wie schade, denn es ist das einzige, das dir angeboten wird.«
    »Dann lehne ich ab.«
    »Dann muss ich nach dem Prinzen schicken.«
    Am liebsten hätte sie ihn getreten.
    Stattdessen machte sie einen Schritt auf ihn zu und blickte auf seine klauenartigen Hände. »Ich sehe nichts.«
    »Wie kannst du etwas sehen, wenn du gar nicht hinguckst?« Er hob die linke Hand hoch und streckte den Daumen aus. »Schau hin!«
    Der glitschige Nagel glänzte wie eine große grüne Perle. Das Lampenlicht flackerte auf seiner Oberfläche. Als Petra draufblickte, merkte sie, dass sie nicht mehr wegsehen konnte. Ihr wurde schwindelig und der Raum um sie herum wurde dunkel. Doch ebenso plötzlich klärte sich ihr Blick wieder und sie hob den Kopf. »Ich hab überhaupt nichts gesehen«, sagte sie erleichtert.
    Dee zog seine Hand zurück. »Das ist ein Jammer. Aber ich denke, ich sollte mein Angebot doch aufrechterhalten. Ich helfe dir als Erstes, indem ich dir Informationen gebe. Bestimmt hast du ein paar Fragen, die du gern beantwortet hättest?«
    »Wie kann die Uhr zerstört werden?«
    Er zuckte ein bisschen mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
    »Worin besteht das magische Talent des Prinzen?«
    »Es ist mir nicht gestattet, das zu sagen.«

    Sie blickte ihn stahlhart an. »Wozu soll es gut sein, Euch Fragen zu stellen, wenn Ihr keinerlei Antworten habt?«
    »Versuche, die richtigen Fragen zu stellen.«
    »Was ist das Kabinett der Wunder?«
    »Ah!« Dee strahlte. »Also weißt du schon davon. Braves Mädchen. Das Kabinett der Wunder ist die private Sammlung des Prinzen. Er liebt Sachen, die schön, seltsam und unbezahlbar sind. Und dazu gehören natürlich auch die Augen deines Vaters. Nun habe ich die Ursache für die Schwierigkeiten des Prinzen erfahren. Die Uhr soll ja

Weitere Kostenlose Bücher