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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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lahmenVersuch als Taktik ein. Es war sogar möglich, dachte sie mit zunehmender Angst, dass er ihre Gedanken lesen konnte. Ihr fiel Astrophils Schweigen ein, und sie vermutete, dass auch die Spinne auf diesen Gedanken gekommen war.
    »Meine Liebe«, sagte Dee, »die Frage die du stellen solltest, lautet:Wollen wir zwei dasselbe?«
    Petra verschränkte die Arme. »Also gut.Wollen wir?«
    »Schau in den Kasten auf meinem Schreibtisch.«
    »In welchen Kasten?« Da gab es mehrere in verschiedenen Größen und aus unterschiedlichem Holz. Dieser Mann war offensichtlich von Kästen fasziniert - oder er wollte, dass Leute, die das Zimmer betraten, das glaubten.
    »In den langen flachen aus Mahagoni«, sagte John Dee.
    Sie wartete ab.
    »Mahagoni ist ein rotes Holz, das aus tropischen Ländern stammt, wo alle als Zwillinge geboren werden«, bemerkte er.
    Petra blickte Dee befremdet an. Wusste er, dass sie ein Zwilling war? Sie ging zu dem Sekretär und achtete darauf, Meister Dee dabei nicht den Rücken zuzukehren, wählte den Kasten aus und öffnete ihn. Drinnen befand sich das kleine Ölbild einer Frau mit rotem Haar, das in kunstvollen Wellen aufgesteckt war. Sie trug ein gelbes, mit Juwelen besetztes Abendkleid. Doch als Petra genauer hinsah, erkannte sie, dass es keine Juwelen, sondern Dutzende von Augen und Ohren waren. Sie schlug den Deckel zu.
    »Das ist die Königin meines Landes«, sagte John Dee. »Ich verkörpere die hochgeschätzten Augen und Ohren Ihrer Majestät. Ich denke, du könntest mich einen Spion nennen, aber ich glaube, das würde meinen Fähigkeiten nicht ganz gerecht. Euer Prinz mag vielleicht denken, dass ich ihm lediglich einen Besuch als Gesandter abstatte, um ihn mit einem Feuerwerk und Geschichten aus Ländern zu erfreuen, die er nie gesehen hat. Allerdings hoffe ich, dass er das nicht denkt, denn das würde seine Intelligenz Lügen strafen, von der ich weiß, dass er über sie verfügt.«
    »Ich verstehe nicht, was ich mit irgendetwas, von dem Ihr da redet, zu tun habe. Ich bin nur eine Dienerin.«
    »Wenn du eine Dienerin bist, musst du meinen Anordnungen Folge leisten. Du wirst mir gehorchen, wenn ich empfehle, dass du dich nicht so unwissend stellst.«

    Sie schwieg.
    »Lass uns ein schnelles Spiel spielen. Ein Spiel der Schlussfolgerungen. Da ich weiß, wer du bist, ist es dann nicht auch einleuchtend, dass ich ein bisschen mehr über dich weiß? Was macht wohl Petra Kronos, Tochter von Mikal Kronos, Meilen entfernt von ihrem Zuhause, dem verschlafenen Städtchen Okno?«
    »Woher wisst Ihr, wer ich bin?«
    »Ich habe so meine Möglichkeiten.« Dee quittierte ihren verärgerten Blick mit einem kleinen Lächeln. »Als Tochter eines Kunsthandwerkers wirst du es doch bestimmt verstehen, wenn ich meine Berufsgeheimnisse für mich behalte. Wenn du sie erfahren willst, dann musst du auch für mich arbeiten.«
    Petra schnaubte. Sie vergaß die Nervosität, die sie beim Betreten des Raums befallen hatte. Seltsamerweise fühlte sie sich frei, seitdem der Mann bekannt hatte, dass er wusste, wer sie war. Ganz egal, was sie tat oder sagte, lag ihr Schicksal nun in John Dees Hand. Es blieb nur eines, was sie noch machen konnte: Ihn dafür zu verachten.
    »Ich würde gerne einige Informationen mit dir austauschen«, fuhr Dee fort. »Ich möchte dir gerne sagen, dass hier mehr Dinge auf dem Spiel stehen als nur dein kleiner Plan. England weiß von der Waffe des Prinzen. Ich spreche natürlich von der Uhr, die dein Vater gebaut hat. Wir wissen, dass der Prinz bisher noch keine Ahnung hat, wie sie zu gebrauchen ist. Doch es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis er es herausbekommt oder jemanden findet, der das tut. Er wäre besser beraten gewesen, deinen Vater näher
bei sich zu behalten, eingeschlossen und mühelos zugänglich für Informationen. Doch der Prinz ist jung und stolz auf seine eigenen Fähigkeiten. Außerdem hat er eine fatale Schwäche für Schönheit und diejenigen, die sie kreieren können. Zweifellos dachte er wohl, wenn er deinen Vater nach Hause schickt, würde es sowohl ihn als auch seine eigenen Fähigkeiten ehren. Doch was ist, wenn der Prinz nicht mehr beweisen will, dass er genauso talentiert ist wie Mikal Kronos? Es kann bald der Fall sein, dass der Prinz sich seinen Fehler eingesteht und deinem Vater eine Einladung in die Burg schickt. Aber ist das dann eine Einladung mit Band und Schleife? Oder kommt sie vielleicht in Begleitung von Schwert und Spieß?
    Na, Petra? So still? Ich

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