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Das Kabinett der Wunder

Titel: Das Kabinett der Wunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Rutkoski
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Er würde es sich nicht zweimal überlegen, uns alle zu Staub im Fläschchen des Hauptmanns zu verwandeln.Wie lange dauert es noch, bis das passiert?« Er streckte die Hände in den Himmel und zwischen die niedertaumelnden Schneeflocken. »Du hast deine Gründe dafür, das haben zu wollen, was in dem Kabinett ist. Ich hab meine. Zumindest weiß ich, dass dann, wenn die Dinge nicht so laufen, wie wir wollen, und ich geschnappt werde, also dass dann das, was mit mir passiert, wirklich nur mir passiert.«
    Astrophil räusperte sich. »Und Petra.«
    »Richtig. Also keine weiteren Prophezeiungen.« Neel holte ein kleines Messer aus der Hosentasche und schnitt sich in die Hand. »Schwör.« Er gab ihr das Messer und hob die linke Hand, in der eine dünne Blutspur schimmerte.
    Petra, du kennst die Gesetze der Blutsbrüderschaft , warnte Astrophil. Vielleicht solltest du...
    »Ich schwöre.« Sie schnitt sich in die Hand, achtete nicht weiter auf den Schmerz und ergriff Neels blutige und schmutzige Hand.

    Astrophil seufzte.
    »Gut.« Neel schüttelte sicherheitshalber ihre Hand. »Jetzt lass uns ernsthaft reden.«
    »Lass mich erst mal erzählen, was gestern Abend passiert ist.« Petra berichtete von ihrem Gespräch mit John Dee. Nur die Einzelheiten über die Uhr behielt sie für sich. Während sie miteinander sprachen, lehnten sich die beiden gegen den Holzstapel und fröstelten unter dem wei ßen Himmel.
    »Er hat dich wahrsagen lassen?« Neel machte ein finsteres Gesicht.
    »Ja.«
    »Was hast du gesehen?«
    »Nichts. Jedenfalls glaube ich, dass ich nichts gesehen habe.«
    »Vielleicht nicht. Es war vielleicht nicht das, was er wollte.«
    Petra sah ihn eindringlich an. »Was weißt du über das Wahrsagen?«
    »Nichts. Also nicht viel. Aber die Roma sind gut in Geistmagie - dem Zweiten Gesicht, Wahrsagen und so. Wenn du jemanden bittest, irgendwas Glänzendes anzugucken, heißt das nicht immer, soweit ich weiß, dass du die Wahrheit über die Vergangenheit oder Gegenwart wissen willst. Es gibt noch anderes Zeug, das die Wahrsager können.«
    »Wie jemanden verrückt zu machen.«
    »Das auch.« Er spähte zu ihr rüber und lächelte. »Sieht so aus, als hättest du deinen Verstand noch.«

    Als er das sagte, bekam sie mit einem Schlag Heimweh. Ihr fehlte Tomik. Ihr fehlte Okno. Ihr fehlte ihre Familie.
    Neel machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich muss Drabardi deswegen fragen. Aber sag mal, woher weiß dieser Dee all das über dich? Hat er auch etwas über mich gesagt? Oder über Astro?«
    »Nein«, sagte Astrophil zu Neel. »Aber er ist ein schwer zu durchschauender Mann. Er hat sich benommen, als wäre es ihm ernst. Sogar zu ernst. Doch ihn sprechen zu hören, ist, wie etwas von einer Baumwurzel über dem Boden zu sehen. Du siehst nur ein kleines Stück, und du hast keine Ahnung, wie die übrige Wurzel aussieht, wie tief sie nach unten reicht und wie weit sie sich unter der Erdoberfläche erstreckt.«
    »Ist er ein Freund deines Vaters?«
    »Aber nein!«, sagte Petra beleidigt. »Er ist doch ein Spion!«
    »Kein Grund, gleich kratzbürstig zu werden. War ja nur eine Frage. Weil es doch seltsam ist, dass ein ausländischer Herr dir seine Hilfe anbietet. Gib mir das Fläschchen mit Bella-Dingsbums.« Neel nahm die braune Flasche. Er machte sie auf, schnupperte an der Flüssigkeit und nahm ein bisschen auf die Zunge. Und dann lehnte er sich zurück und ließ, ehe Petra ihn aufhalten konnte, einen Tropfen in ein Auge fallen.
    »Neel!«
    »Das könnte giftig sein!« Astrophil rang vier seiner Beine.
    »Also ja-a.Was glaubt ihr, warum ich es nur in ein Auge
getan hab?« Er zwinkerte und Belladonna rieselte über sein Gesicht wie eine schwarze Träne.
    Petra stöhnte. »Wenn das Gift stark genug ist, spielt das keine Rolle! Das hättest du nicht tun sollen! Ich wollte es im Labor untersuchen, ehe ich versucht hätte, es zu benutzen.«
    »Du weißt, wie man erkennen kann, ob etwas giftig ist?«
    »Nicht genau. Aber wenn Belladonna aus einem Mineral gemacht wird, dann...« Sie brach völlig überrascht ab, als sie sah, dass John Dees Geschenk genau so wirkte, wie er es vorausgesagt hatte. Die Pupille in Neels rechtem Auge schwoll an wie ein kleiner Ballon. Kurz darauf sah Neel ziemlich seltsam aus - mit einem gelben und einem schwarzen Auge. Sie musste kichern.
    »Du lachst über mich, obwohl ich vielleicht gleich tot umfalle? Das ist ja ein nettes Dankeschön.« Er zwinkerte weiter. »Gut, ich bin nicht tot. Und ich bin nicht

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