Das Kabinett der Wunder
habe gedacht, das wäre ein Thema nach deinem Herzen. Also gut, wenn du das nicht für wichtig genug hältst, um darüber zu reden, können wir weitermachen.
Ich frage mich, ob du jemals darüber nachgedacht hast, warum das böhmische Herrscherhaus den Salamander als Wappentier hat?«
Sie sagte nichts, sondern blickte ihn nur starr an.
»Der Salamander liebt das Feuer. Er lebt darin, atmet es ein und überlebt trotz der Hitze - oder gerade durch sie -, die dich und mich umbringen würde. Die Wahl eines Wappentiers erfolgt niemals willkürlich. Die Prinzen von Böhmen haben nie vor Schwierigkeiten zurückgeschreckt. Sie haben sie gesucht. Sie haben die Wut zwischen Arm und Reich angestachelt, um die Bevölkerung in zwei Lager zu spalten, die einander hassen. Sie haben ihre eigenen Leute
bis an den Rand des Hungertods getrieben. Sie haben Kriege angezettelt. Prinz Rodolfo hat keine Angst vor, sagen wir mal, ein bisschen Hitze. Denn sie ist das, was ihm Kraft verleiht.
Ich betrachte die Dinge aus der politischen Perspektive. Es ist nicht meine Sache zu entscheiden, was gut und was böse ist. Das ist eine Strategie und mit Sicherheit haben die Prinzen von Böhmen davon profitiert. Wir Engländer dagegen sind ziemlich kalte Fische.Wir haben ein frostiges Klima. Es regnet so viel, dass man sich ständig feucht fühlt. Unser Schutzheiliger ist Sankt Georg der Drachentöter. Das Wappen, das wir gewählt haben, zeigt den Kampf gegen ein Feuer speiendes Untier. Es zeigt den Tod des Feuers.
Offensichtlich interessiert dich die internationale Politik wenig. Du verdrehst deine silbrigen Augen, als säßest du in einer langweiligen Unterrichtsstunde. Du blickst nicht über den Horizont von gelben Bergen und kleinlichen Familienproblemen hinaus. Doch ich versichere dir, dass Europa in der Schwebe hängt. Und ich möchte dich dazu bringen, dass du dir darüber Gedanken machst.
Der Kaiser ist krank und alt und hat zu viele Söhne, denen er zu viel Macht verliehen hat. Wenn er stirbt, werden sich dann die Habsburger Prinzen mit den kleinen Ländern, die sie bereits besitzen, zufriedengeben? Werden sie mit Karls Entscheidung für den neuen Kaiser einverstanden sein? Oder werden sie untereinander Krieg führen und ganz Europa in ihren Kampf um das Habsburger Reich mit hineinziehen? Ich denke, wir beide kennen die
Antwort auf diese Fragen. Und zwar erkennen wir sie an dem Auftrag, den der Prinz deinem Vater erteilt hat. Der Prinz hat ganz offensichtlich den größten Ehrgeiz, mehr zu werden, anstatt nur der Prinz von Böhmen zu bleiben.
England kann jetzt noch vor dem kommenden Krieg auswählen, welchen der Prinzen es unterstützen will. Und das erhofft sich Prinz Rodolfo von meinem Besuch. Doch die falsche Seite zu wählen, könnte für England katastrophal sein. Und selbst die Entscheidung für die richtige Seite würde meinem Land keine Sicherheit garantieren. Ihre Majestät zieht es vor, England neutral bleiben zu lassen, aber Untätigkeit wirft neue Probleme auf, besonders wenn wir die Kräfte der Uhr bedenken. Wenn es ihm gelänge, die Uhr so arbeiten zu lassen, dass sie das Wetter bestimmt, wäre es für Rodolfo einfach, seine Brüder zu besiegen und die Macht über das Reich zu ergreifen. Er müsste lediglich Ungarn und Deutschland mit einer brutalen Dürre überziehen. Das würde in diesen Ländern zu massenhaftem Hungertod führen.
Und mit dieser Uhr wäre es auch ebenso einfach für ihn, andere Länder so einzuschüchtern, dass sie in jeden seiner Wünsche einwilligen.Tatsächlich wäre es für ihn ein Kinderspiel, sollte er sich dazu entschließen, das übrige Europa zu erobern. England jedoch hat keinerlei Verlangen danach, in Rodolfos Sammlung aufgenommen zu werden. Deshalb muss die potenzielle Möglichkeit der Uhr, das Wetter zu bestimmen, zerstört werden. Und aus diesem Grund, liebe Petra, bin ich sehr froh darüber, dich getroffen zu haben. Dein Vater hat, um es mal so auszudrücken,
den Geist aus der Flasche gelassen. Es wird deine Aufgabe sein, ihn dahin wieder zurückzuschließen.«
»Ich? Warum macht Ihr das nicht?« Und höhnisch fügte Petra hinzu: »Ihr seid ja ganz offensichtlich viel begabter und intelligenter als ich.«
»Richtig.« Er neigte den Kopf. »Doch um dieses Spiel auf die richtige Art zu spielen, muss ich im Verborgenen bleiben. Dazu muss ich wie dein Vater sein und die Dinge sich bewegen lassen, ohne für ihre Bewegung verantwortlich zu erscheinen.Wenn der Prinz je meine Absichten ahnen
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