Das Kabinett der Wunder
viele Bediensteten, die unterschiedliche Dinge tun.Was machst du?«
»Ähm, sauber machen, denke ich.«
»Name?«
»Viera.«
Der Salamander verschwand aus seinem Flammennest. Kurz darauf tauchte er wieder auf. »Tritt ein«, sagte er.
Das Silberschwert teilte sich in der Mitte und beide Türflügel schwangen auf.
Petra sah einen langen fensterlosen Gang vor sich. Grüne Rapslampen säumten beide Seiten und leuchteten gedämpft, als befänden sie sich unter Wasser. Der Teppich war rot und so dick, als bestünde er aus Fell. Petras Fuß versank in dem roten Plüsch, der ihr bis zu den Knöcheln reichte.
Hier entlangzugehen, kam ihr vor, als kämpfte sie sich durch Schlamm, und sie fragte sich gerade, ob der Teppich vielleicht doch aus dem Fell eines Tieres gemacht worden sei, als der Gang in einen riesigen Saal mündete.
Hier erblühte der Teppich zu kunstvollen Jagdszenen. Mit Bögen, Schwertern und Speeren jagten Männer zu Pferd Keiler, Füchse, Wachteln und sogar mythische Tiere wie Einhörner und Greife. Sieben Türen gingen von diesem Saal ab. Birkenscheite brannten im Kamin und das Herz des Feuers glühte blau inmitten flackernder oranger Flammen. Es gab keinerlei Möblierung außer einem großen hölzernen Thron in der Mitte des Raums. Der Thron war leer. Prinz Rodolfo stand vor einem mächtigen Fenster mit vielen Glasscheiben und beobachtete den nun spärlich rieselnden Schnee.
Petra hielt es für besser, sich still zu verhalten und lieber zu warten, bis der Prinz sie bemerkte. Aber dann schaute sie zufällig zur Decke und schnappte nach Luft.
Die Köpfe zahlloser Männer und Frauen starrten auf sie herunter.
Beim Klang von Petras unterdrücktem Schrei drehte sich der Prinz um. Er betrachtete sie. »Keine Angst. Sie sind aus Holz.«
Er kam näher. Seine Samtgewänder waren mit einer Farbe gefärbt, die sie schnell als tyrisches Violett erkannte. Diese Farbe, die aus einer stachligen Schneckenmuschel gewonnen wurde, sah wie geronnenes Blut aus. Die Manschetten und der Saum des Gewands waren mit dickem grauem Wolfspelz besetzt.
Es ist besser, du verbeugst dich, Petra.
Obwohl sie sich selbst nicht mochte, wenn sie es tat, gehorchte sie der Spinne und versank in einen tiefen Knicks.
»Steh auf.«
Sie schaute hoch und die Augen ihres Vaters blickten ihr ins Gesicht. Prinz Rodolfo setzte sich auf den Thron und grübelte, warum er gegenüber diesem jungen Mädchen so freundlich gestimmt war. »Das sind die Köpfe der früheren Herrscher von Böhmen«, erklärte er. »Ziemlich grausig, nicht wahr? Selbst wenn sie aus Holz sind. Irgendwann werde auch ich von der Decke blicken. Aber unter uns gesagt, ich sehne den Tag nicht herbei.« Er lächelte.
Petra war irritiert. Versuchte der Prinz, freundlich zu sein?
»Vieles hier ist nicht das, was es zu sein scheint. Das Fenster zum Beispiel ist nicht echt.«
»Aber schneit es nicht gerade draußen, Euer Hoheit?«
»Das tut es. Doch das Fenster ist in Wirklichkeit ein verzauberter Fels. Schau her.« Er zog eine Goldmünze aus seiner Tasche und schnippte sie gegen das Fenster. Es zerbrach nichts und es gab keinen Sprung, sondern lediglich ein dumpfes Geräusch, als die Münze gegen eine Fensterscheibe schlug und dann auf den Teppich fiel. Er ließ sie da liegen. »Aus Sicherheitsgründen darf es keine echten Fenster in meinen Räumlichkeiten geben. Was mich zu dem Anlass meiner und deiner Anwesenheit bringt. Ich befrage alle meine persönlichen Dienstboten selbst - meine Kammerdiener, meine Pagen und meine Zimmermädchen. Ich bin gezwungen, das zu tun, denn einige haben sich als …
unzuverlässig herausgestellt.« Sein Gesicht wurde nicht zornig, es verlor nur jeglichen Ausdruck.
Petra . Astrophil pochte ihr auf den Kopf.
»Da braucht Ihr bei mir keine Bedenken zu haben, Euer Hoheit.« Sie holte tief Luft und rang sich die folgenden Worte ab. »Ich bin Euer Hoheit treu ergeben.«
Er nickte erfreut von seinem Thron herunter. »Erzähle mir von dir.«
Petra erfand eine Geschichte vom Landleben. Sie sei eine Waise, erklärte sie, aus den Bergen.
»Dann stehst du also ziemlich allein da?«
Sie nickte.
»Keine Brüder und Schwestern?«
Sie nickte.
»Du brauchst nicht so traurig dreinzuschauen. Ich kann dir versichern, dass Geschwister zu haben überbewertet wird. Und wenn dir eine Familie fehlt, so bietet dir die Salamanderburg Hunderte von Müttern, Vätern, Schwestern und Brüdern.«
Petra blieb still, denn sie war unsicher, was sie antworten sollte,
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