Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Bildschirm waren die beiden Fahrzeuge am Straßenrand stehen geblieben – ihr Todesurteil war besiegelt.
»Schießen!«, befahl Joseph.
»Wega 31 feuerbereit, entsichert. Bestätige den simultanen Abschuss der beiden Vikhr«, meldete der Operator mit neutraler Stimme. Er öffnete eine Plastikklappe über seiner Abschusskonsole. Dahinter befand sich ein simpler Schalter ausglänzendem Metall. Joseph verfolgte alles mit seinem starren Blick, er wirkte wie hypnotisiert. Der Operator wusste, dass seine bevorstehende Handlung den Abschuss einer Rakete mit hoher Sprengkraft auslöste, deren Stahlhülle in Tausende weißglühender Splitter zerbarst, die scharf wie Rasierklingen waren. Er drückte auf den Schalter.
»Raketenabschuss erfolgt«, meldete er in einem Tonfall, der diesmal eine gewisse Erregung spüren ließ.
Wie in einem Hollywoodfilm hüllten zwei Kondensstreifen den Predator ein. Die russischen Raketen schossen auf ihr Ziel zu.
Osama war auf dem Beifahrersitz des Geländewagens eingenickt. Dschihad saß am Steuer, da er der beste Fahrer des Teams war, Gulbudin und Rangin schliefen tief und fest auf dem Rücksitz, ihr Gewehr im Arm. Als Begleitschutz folgte ihnen der Pick-up; Abdul und ein Polizist saßen im Fahrerhaus, die beiden Mudschaheddin-Cousins von Osama auf der Ladefläche. Plötzlich stieß Dschihad einen Fluch auf Dari aus.
»Was ist los?«, fragte Osama.
»Das linke Vorderrad schlingert.«
Dschihad parkte am Straßenrand. Rangin und Gulbudin fuhren alarmiert aus dem Schlaf hoch, als Osama ausstieg, und folgten ihm. Der Geländewagen neigte sich stark zu einer Seite hin, der Vorderreifen war vollkommen aufgeschlitzt.
»Wir müssen über ein Metallteil gefahren sein«, brummte Dschihad. Sein Blick fiel auf das Wrack eines russischen Panzers. »Wahrscheinlich mal wieder ein Stück von einer Panzerkette, das schneidet sich in die Reifen, als wären sie aus Butter.«
Osama streckte sich. »Ich werde beten gehen, heute Morgen werden wir nicht mehr oft Gelegenheit dazu haben. Wer kommt mit?«
Abdul und die drei Hazara entschuldigten sich, da sie Dschihad beim Reifenwechsel helfen wollten. Osama entfernte sich,gefolgt von Gulbudin und Rangin. Osama breitete seinen Gebetsteppich in einiger Entfernung von den beiden Fahrzeugen aus, besann sich dann aber. Der Lärm der Männer beim Reifenwechseln war der Sammlung zum Gebet nicht gerade förderlich.
»Lasst uns nach dort drüben gehen und passt auf, wegen der Minen«, sagte Osama. »Bleibt dicht bei mir, auf der Straße.«
Nach fünfzig Metern blieb er stehen, befand die Stelle für geeignet, rollte seinen Teppich aus und kniete sich nieder. Seine beiden Mitarbeiter folgten seinem Beispiel. Sie hatten kaum die Augen zum Gebet geschlossen, als eine riesige Explosion ertönte. Die heiße Druckwelle warf sie nieder, während der Knall ihre Trommelfelle beinahe platzen ließ. Osamas
Shalwar qameez
fing Feuer. Er konnte gerade noch die Flammen ersticken, indem er sich auf dem Boden hin und her wälzte, dann verlor er das Bewusstsein. Als er wieder zu sich kam, standen die beiden Fahrzeuge in Flammen. Panisch schüttelte er Rangin.
»Was ist passiert?«, stöhnte sein Mitarbeiter benommen.
»Wir wurden angegriffen«, sagte Osama.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht rappelte Rangin sich hoch. Die Umgebung war menschenleer, niemand war gekommen, um ihrem Leben ein Ende zu machen. Sie waren nicht in einen Hinterhalt der Taliban geraten. Eine Mine oder ein IED kamen auch nicht in Frage, denn sie standen ja immer noch auf zwei Beinen. Auf einmal begriff er: Sie mussten von dem Geschoss einer Drohne oder eines Helikopters getroffen worden sein. Eine beliebte Methode – unzählige Taliban waren auf die Art und Weise ausradiert worden. Man hatte sie unterschiedslos wie gemeine Terroristen beschossen, während sie doch nur ihre Arbeit verrichteten. Er beugte sich über den reglos daliegenden Gulbudin.
»Gulbudin, wach auf!«
Als sein Assistent nicht antwortete, drehte Osama ihn um. Gulbudin hatte kein Gesicht mehr: Ein Metallteil war ihm inden Schädel eingedrungen und hatte ihm ein Auge und den Kiefer weggerissen. Entsetzt ließ er den Leichnam los.
»
Hajj,
was sollen wir tun?«, schrie Rangin völlig außer sich.
Die beiden Fahrzeuge waren zerstört, zwei brennende Wracks.
»
Qoumaandaan,
was sollen wir jetzt tun?«, wiederholte er keuchend.
Osama ließ den Blick über die grauenvolle Szenerie schweifen. Im Umkreis von zehn Metern lagen überall
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