Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Staatsapparat erhielten und de facto ihre Rückkehr an die Macht vorbereiteten. Minister, Abgeordnete, überzeugte Gegner der Taliban, mehrere einflussreiche Berater – alle waren sie entmachtet und durch Islamisten ersetzt worden. Der Druck auf die Frauen nahm sogar noch zu. Die Angst brachte viele dazu, die Seite zu wechseln.
»Pass auf!«, erwiderte Osama. »Sonst bist du gleich als Kommunistin verschrien.«
»Mir sind die Kommunisten lieber als die Taliban. Zumindest hatten die Frauen bei ihnen Rechte!«
Osama antwortete nicht, er wusste, dass seine Frau recht hatte. Außerdem war er noch nie besonders gut im Diskutieren gewesen, und mit Malalai hatte es gar keinen Sinn, zu diskutieren, sie fand dann doch immer irgendein Argument, das ihn mundtot machte.
»Wie wirst du verhindern, dass dieser Idiot von Minister dir Probleme schafft?«
»Ich weiß es noch nicht. Auf jeden Fall muss ich sehr vorsichtig sein, die Sache stinkt.«
»Bitte geh kein zu großes Risiko ein.«
»Ich muss meine Ermittlung zu Ende bringen. Wenn dieser Mann eines gewaltsamen Todes starb, dann muss ich den Schuldigen finden.«
»Mein armer Liebling«, sagte Malalai und zog ihn zu sich herab. »Du bist der Einzige, der in diesem Land seine Arbeit macht. Komm, wir essen zu Abend, ich habe
Qabali palaw
und pikant gewürztes
Mantu
gemacht, so, wie du es liebst.«
»Ich werde vorsichtig sein, das verspreche ich dir«, sagte Osama mit fester Stimme. »Jetzt gehe ich erst einmal beten. Wir essen später.«
***
Auf dem Rückweg ins Büro gelang es Nick nicht, seinen Chef zu sprechen, obwohl er mehrere Versuche unternahm. Jedes Mal, wenn er anrief, hieß es: »Keine telefonischen Auskünfte zu diesem Thema möglich, auch nicht verschlüsselt. Kommen Sie ins Büro.«
In der Zentrale herrschte hektische Betriebsamkeit. Im Gemeinschaftsraum wimmelte es trotz der späten Uhrzeit von Menschen – Menschen, die Nick dort nie zuvor gesehen hatte. K-Truppen-Mitglieder, die schon bereit waren für das nächste Briefing, obwohl sie gerade erst ihr Gepäck ablegten: kugelsichereWesten, Schutzhelme, Übertragungsgeräte, Sturmgewehre, Schalldämpfer. Als Wilfried, der Anführer, der Werner getötet hatte, Nick erspähte, ging er lässig auf ihn zu.
»Tut mir leid wegen deinem Kumpel«, sagte er beiläufig.
»Was ihr da getan habt, ist absolut unverzeihlich!«
»Nick, ihr habt die Sache vermasselt, du und Werner. Wir hatten euch verboten, das Gebäude zu betreten. Was hattet ihr da drinnen herumzuschnüffeln?«
»Ohne Vorwarnung loszuschießen ist ein Verbrechen! Wenn du vor dem Losballern einfach mal dein Hirn angeschaltet hättest, wäre Werner noch am Leben.«
»Ich habe mich nur an die Vorgabe gehalten. Werner und du, ihr habt euch benommen wie Amateure!«
Nick wollte auf ihn losgehen, als der General eiligen Schrittes auf sie zusteuerte.
»Schluss mit dem Kinderkram!«, zischte er.
Sein zorniger Gesichtsausdruck sprach Bände. Seit ihrer Gründung war dies der erste Fehlschlag der Firma – und zwar ein eklatanter. Er sah abwechselnd Wilfried und Nick an. Da die Zeit drängte, hatte er seine K-Truppe losschicken müssen, obwohl ihr Anführer, Joseph, nicht verfügbar war, weil er in Frankreich zu tun hatte. Er hatte Wilfried, der weniger erfahren war, die Operation durchführen lassen. Dessen Team hatte vor dem Einsatz die Pläne der Fabrik genau studiert, doch sie waren fehlerhaft und verzeichneten einige Abflussrohre nicht, durch die der Gesuchte entkommen sein musste.
Der General wandte sich an Nick. »Snee, in mein Büro. Und zwar sofort!«
Wie betäubt folgte Nick ihm.
Das Büro des Generals war das eines mächtigen Mannes: siebzig Quadratmeter groß, mit sensationeller Aussicht dank dreier riesiger Panzerglasscheiben. Für etwas Abwechslung in dem recht manieriert möblierten Raum sorgten einige Modelle von Propellerflugzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg. Ein riesigesÖlgemälde, das eine B52 darstellte, wie sie ihre Bombenfracht über einem Reisfeld herabregnen ließ, nahm eine ganze Wandfläche ein. Eine Reminiszenz an die Anfänge seiner militärischen Laufbahn bei den Fallschirmspringern, so mutmaßte man. Nick jedenfalls hatte den deutlichen Eindruck, dass der General Flugzeuge Menschen vorzog.
»Setzen Sie sich«, herrschte der General ihn an. Obwohl er in Zivil gekleidet war, strahlte er Autorität aus. »Sie haben es vergeigt, Snee. Sie sind in diese Fabrik eingedrungen, ohne unsere Männer darüber zu unterrichten. Sie
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