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Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Titel: Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cédric Bannel
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übergeschnappt?«, schrie Nick. »Ihr habt ihn einfach abgeknallt!«
    »Ihr hättet euch zu erkennen geben müssen«, erwiderte der K-Mann kühl. »Ihr hattet die Anweisung, außerhalb desGebäudes zu bleiben. Jeder, der sich im Innern des Gebäudes befindet, ist eine potentielle Zielscheibe.«
    Hinter der Kapuze mit Sehschlitzen sah Nick nur seine Augen. Dennoch erkannte er den Mann, von dem er nur den Vornamen wusste: Wilfried. In Wilfrieds Augen war nicht die Spur von Scham oder Bedauern zu entdecken. Als hätte er gerade ein Insekt zertreten.
    »Handys funktionieren hier drin nicht!«, schrie Nick.
    »Ihr hättet überhaupt nicht reinkommen dürfen! Wir haben die klare Anweisung, dass wir den Flüchtigen um jeden Preis kriegen müssen. Es darf keine Mittelspersonen zwischen ihm und uns geben.«
    »Verdammt noch mal, weshalb denn? Wer zum Teufel ist der Typ?«
    »Die Ergreifung des Gesuchten hat oberste Priorität und damit den Vorrang vor jeder anderen Überlegung«, wiederholte der K-Mann die Anweisungen.
    Mit festem Griff packte er Nick am Kragen und zerrte ihn auf den Gang hinaus und stieß ihn unsanft auf den Zementboden. Dann warf er Nick seine Waffe zu.
    »Du hast hier nichts zu suchen. Du hast keine Befugnis. Geh wieder ins Büro. Wir kümmern uns um den Flüchtigen und um Werners Leiche.«
    Der K-Mann verschwand. Nick blieb auf dem Boden liegen, versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Mühsam rappelte er sich auf die Beine, Tränen in den Augen. Was war da gerade geschehen? Eine Welt war für ihn zusammengebrochen. Taumelnd suchte er den Weg ins Freie. Im Liebeszimmer herrschte Grabesstille. Die meisten Junkies waren offenbar geflüchtet, als die Schüsse fielen, die anderen hatten sich in ihren Zellen verschanzt. Als er an einer Schlafnische aus Gipsplatten vorüberging, bemerkte Nick, dass der Vorhang, der die Nische auf dem Hinweg vor fremden Blicken geschützt hatte, zerrissen war. An der Wand stand eine Reisetasche aus Leder. Fieberhaft öffneteer sie, zum Vorschein kamen Poloshirts, Hemden, Unterwäsche, alles neu, alles teure Marken. Kein Drogensüchtiger hätte sich diese Klamotten je leisten können. Keiner jedenfalls, der hier lebte.
    »Die gehört dem Typen, den du suchst.«
    Nick wandte sich um – die Frau von vorhin.
    »Nimm’s mir nicht übel«, sagte sie. »Aber der Kerl hat mir zweihundert Franken dafür in die Hand gedrückt, dass ich alle, die hinter ihm her sind, in die falsche Richtung schicke. Dein Kumpel hat mir nur fünfzig gegeben.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Vergiss es, den holst du nie mehr ein! Und deine Kameraden auch nicht.«
    Nick ließ sich wie betäubt auf die Matratze sinken.
    »Der Typ muss ja wahnsinnig wichtig sein«, meinte die Frau. »deine Kameraden knallen jeden ab, der sich ihnen in den Weg stellt, nur um ihn zu finden.«
    Nicks Blick fiel auf eine CD-Hülle neben der Matratze. Der Deckel war an mehreren Stellen abgesplittert, so, als hätte jemand sie hastig aufgerissen. Auf der Rückseite fand sich eine lange Buchstabenfolge: RD. JK. GN. AD. LP. OK. BR. TG. RR. OL. TA. SW. PM. ER. WAJ. GT. JKO. KL. PP. MK. JH. DF. GHJ. KLP.
    Er drehte die Hülle um. Auf der Rückseite stand mit Filzstift geschrieben:
Akte Mandrake
.

2
    Osama kehrte ein wenig später als gewöhnlich nach Hause zurück, gegen neun Uhr abends. Er wohnte weit entfernt vom Zentrum Kabuls, im Armenviertel Khirkoma; bei seinem Gehalt konnte er sich nichts Besseres leisten, und das, obwohl seine Frau ja auch etwas verdiente. Freilich, hätte er Bestechungsgelder angenommen oder wäre seine Frau in der Privatwirtschaft tätig gewesen, sie hätten es einfacher gehabt. Andererseitsmochte er die Ausgelassenheit und die fröhliche Stimmung in seinem Viertel, wo man sich unter Nachbarn häufig besuchte, Frauen und Männer natürlich streng getrennt. Sein größtes Vergnügen bestand darin, am Samstag zu Fuß zum Panjsad-Familli-Markt ganz in der Nähe zu gehen und dort zwischen den Vogelhändlern umherzuschlendern. Die Händler kannten Osama und führten ihm immer gern und stolz ihre Neuzugänge vor. Ohne dass der Kommissar es sich recht erklären konnte, erfüllte ihn das Gefühl, eine dieser kleinen flauschigen Kugeln in seinen großen Händen zu halten, mit großer Freude.
    Er grüßte den Polizisten, der vor seiner Haustür Wache stand, und betrat das Haus. Es war ein bescheidenes Heim aus Ziegelsteinen und Lehm, mit einem Flachdach, wie man es in allen einfachen Vierteln afghanischer Städte findet: nur

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