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Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Titel: Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cédric Bannel
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getötet. Ein Fehlschuss aus einem Mörser. Sie hat eine Adresse angegeben. Ein Dorf in Nuristan, es heißt Kir.«
    »Kennen Sie es?«
    »Nein. Aber ich verstehe jetzt, weshalb mir der Familienname dieser Frau so ungewöhnlich vorkam. Sie stammt aus Nuristan.«
    Osamas Miene verfinsterte sich. Die Nuristani waren lange Zeit Heiden gewesen, erst Ende des 19. Jahrhunderts konvertierten sie zum Islam. Seither allerdings hingen sie einer besonders strengen Form des Islam an. Sie wurden sowohl von den Paschtunen wie auch von den Tadschiken schlecht behandelt und stellten eine Art Lumpenproletariat dar, den Unberührbaren in Indien vergleichbar. Dass ein Stamm sich dem allgemeinen Prozess der Islamisierung tausend Jahre lang entzogen hatte, mochte seltsam erscheinen. Nuristan aber war eine der unwegsamsten Gegenden der Welt. Beinahe entvölkert, lag es an den Ausläufern des Hindukusch. Die mittlere Höhe lag beinahe überall bei dreitausendfünfhundert Metern, und es gab mehrere Hochplateaus von viertausendfünfhundert Metern, dabei ungeheure Höhenunterschiede, selbst für ein gebirgiges Land wie Afghanistan. Ein Straßennetz war sozusagen nicht vorhanden, und im Winter war die Gegend schwer zugänglich. Ein idealer Ort, um sich zu verstecken.
    »Ende März nach Nuristan zu fahren ist keine Vergnügungsreise«, bemerkte der Mullah. »Warten Sie, ich hole eine Karte.«
    Es war mehr als bemerkenswert, dass ein Imam Generalstabskarten bei sich zu Hause aufbewahrte, doch bei Mullah Bakir wunderte sich Osama über nichts mehr. Sie breiteten die Karte auf dem Tisch aus, Hunderte Dörfer waren darauf abgebildet, manchmal stand etwas Handschriftliches daneben, auf Russisch. Osama entdeckte, dass der Ort Wama unterstrichen war, wo zwei Jahre zuvor ein entscheidender Angriff der Talibangegen die ANA stattgefunden hatte. Nachdem sie einige Zeit gesucht hatten, stießen sie schließlich auf Kir, Zahras Dorf. Es lag gut hundert Kilometer nordwestlich von Arandu mitten in der Einöde. Die genaue Höhe war nicht angegeben, aber in unmittelbarer Nähe im Westen waren Gipfel von viertausendfünfhundert Metern verzeichnet, weitere, ebenso hohe, im Norden.
    »Dieser Ort liegt in der Hölle. Keine Straßen, schrecklich hohe Berge. Eine echte Expedition. Außerdem wimmelt es in dieser Gegend nur so von Taliban.«
    »Zahra hat es geschafft, mit ihrer Mutter dorthin zu fahren, ohne besonderen Schutz.«
    »Das war 2002, die Taliban waren in Nuristan zu der Zeit nicht willkommen. Seit den Operationen der Internationalen Schutztruppe haben sich jedoch Tausende von Islamisten dorthin geflüchtet, weil die Region unzugänglicher ist als die Berge von Tora Bora. Die Situation hat sich in ihr komplettes Gegenteil verkehrt: Von einer sicheren hat sie sich nun zu einer der gefährlichsten Gegenden des Landes entwickelt.«
    »Zahra scheint das nicht zu wissen«, bemerkte Nick finster.
    Sie betrachteten nachdenklich die ausgebreitete Karte.
    »Ich muss dorthin. Mir bleibt keine andere Wahl«, sagte Osama schließlich.
    »Ich möchte mich nicht in Dinge einmischen, die mich nichts angehen«, sagte Mullah Bakir, »aber ich weiß nicht, wie Sie sich das vorstellen. Nicht einmal Sie,
Qoumaandaan,
nicht einmal Sie haben eine Chance. Und was Ihren reizenden Gefährten angeht … Mit einem Blondschopf wie ihm machen die Kämpfer dort kurzen Prozess. Außerdem gibt es ja nicht nur die Taliban. Sie werden verschneite Straßen in einer feindlichen Natur antreffen, dazu Temperaturen zwischen minus fünfzehn und minus dreißig Grad, Schneefälle, Gletscherspalten, Erdrutsche, Lawinen. Kein Westler begibt sich je dorthin, selbst die French Doctors während des Kriegs mit den Russen haben einen Bogen darum gemacht.«
    »Ich bin an das Leben im Gebirge gewöhnt«, erwiderte Nick trotzig.
    »Diese Gegend hat nichts mit den Alpen zu tun. Wir reden hier nicht übers Skifahren.«
    »Ich bin ein Bergbewohner! Ich bin nicht hergekommen, ans Ende der Welt, um mich in einer Moschee begraben zu lassen. Ich werde die Sache durchziehen, versuchen Sie nicht, mir das auszureden – es hat keinen Sinn!«
    »Das ist absurd!«, erwiderte Osama.
    »Ich werde mitkommen«, verkündete der Mullah. »Allein werden Sie sofort massakriert!«
    »Es ist zu gefährlich!«, widersprach Osama. »Sie haben keinen Grund, unseretwegen derartige Risiken auf sich zu nehmen.«
    »Sie schaffen es vielleicht bis dorthin, aber wenn Sie dann vor Ort sind, wie wollen Sie die Dorfbewohner überzeugen, Sie am

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