Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
zeichnete sich auf Osamas Gesicht ab, und tiefe Enttäuschung.
»Als Sie Ihre Ausbildung in Moskau absolvierten, war er in Peking.«
Osama sah auf einmal ganz verloren aus. Als hätte ihm der Verrat seines Freundes, des Mannes, dem er während der ganzen Untersuchung blind vertraut hatte, einen tödlichen Schlag versetzt.
»Er war nur zwölf Monate dort, aber trotzdem hatte er einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Seit einigen Jahren erhält er jeden Monat eine bescheidene Summe auf ein Konto bei der Bank of China in Macao. Als Gegenleistung hilft er ihnen. Ihr Freund kaufte sich eine Villa am Strand südlich von Shanghai. Dort möchte er sich auf seine alten Tage mit einer hübschen jungen Frau zur Ruhe setzen. Reza war die Geheimwaffe des Guoanbu. Bestimmt war es seine Idee, Sie ins Spiel zu bringen,ohne dass Sie es ahnten. Er überwachte Ihre Ermittlungen. Sobald Sie irgendetwas herausfanden, waren die Chinesen umgehend darüber informiert, Reza hatte ihnen den Bericht oder eine Kopie davon besorgt. Objektiv betrachtet: ein großartiger Coup, einer der besten der letzten Jahre, der ihnen auch beinahe gelungen wäre.«
Osama war zu schockiert, um etwas zu entgegnen. Er sah zu, wie der Spion die Fotos wieder in seine Brieftasche steckte.
»Das ist die große Story hinter der kleinen. Sie werden einsehen, dass wir kein Interesse daran haben, diese Leute die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen.«
Nick und Osama tauschten einen Blick aus. Der Kommissar hatte sich bereits wieder gefangen, seine Enttäuschung hatte der Wut Platz gemacht.
»Was für eine Bestrafung hat Reza zu erwarten?«
»Keine.«
»Wie meinen Sie das, keine?«
»Wir werden ihn beschatten, dadurch haben wir die Machenschaften des Guoanbu besser im Blick. Es sei denn, Sie wollen selbst etwas unternehmen, Kommissar. Moral, das ist nicht unser Metier. Wenn Sie ihn bestrafen wollen, so tun Sie das, wir haben vollstes Verständnis dafür. Das ist Ihre Entscheidung.«
Osama nickte mit unbeweglichem Gesicht. Unmöglich zu erahnen, welche Entscheidung er getroffen hatte.
»Selbstverständlich sind alle Anklagepunkte gegen Sie null und nichtig. Osama Kandar, Sie werden morgen wieder zu Ihrer Einheit zurückkehren. Präsident Obama hat bereits mit Präsident Karzai telefoniert, um ihn darum zu bitten, den Minister für Innere Sicherheit zu ersetzen und dafür zu sorgen, dass Sie nicht mehr belästigt werden. Und Sie, Nick, arbeiten Sie doch für mich, Leute wie Sie kann ich in dieser Organisation gut gebrauchen.«
»Tut mir leid, aber ich möchte für keinen Geheimdienst mehr arbeiten, egal für welchen. Das ist nicht mein Leben.«
»Verstehe«, erwiderte der Direktor der CIA. Er wirkte enttäuscht. Einige Sekunden lang herrschte Schweigen. »Ich weiß, dass all diese Entscheidungen kein befriedigendes Ganzes ergeben«, meinte er dann. »Dass sie nicht die Entbehrungen aufwiegen, die Sie erlitten haben. Aber im wirklichen Leben gibt es niemals ein perfektes Setting. Das wahre Leben ist grau, manchmal hellgrau, ein andermal dunkelgrau.« Er seufzte. »Das ist die eleganteste Art und Weise, auf die wir diesen Fall abschließen konnten. Eindeutig.«
Nicks Vater legte die Hand auf die Akte und sah Osama direkt an.
»Die Welt ist, wie sie nun einmal ist, wir können sie nicht ändern. Mir wäre ein anderes Ergebnis lieber gewesen, aber das hier ist das einzig denkbare. Das ist kein Zynismus, sondern Pragmatismus. Wir wissen außerdem, dass Sie alle Stillschweigen über diese Angelegenheit bewahren werden. Das ist unabdingbar, keinem von uns bleibt eine andere Wahl. Dürfen wir jetzt das hier … an uns nehmen?«
Osama starrte mit leerem Blick in die Ferne. Diese Komplotte zwischen den Großmächten, China, der NATO, diese geheimen Dossiers und offenen Rechnungen, der Verrat seiner Freunde, die Fallgruben, all dies war zu komplex für ihn. Er war nur ein einfacher Polizist, der versuchte, seine Arbeit anständig zu machen. Er schob die CD zu seinem Gesprächspartner hinüber.
Dann stand er auf und ging. Er wollte nur noch eines: zu Malalai.
Danksagung und Bibliographie
Anbei meine Literaturempfehlungen für diejenigen, die ihre soziologischen, geopolitischen und historischen Kenntnisse dieses außergewöhnlichen Landes vertiefen möchten.
Zwei Referenzwerke seien erwähnt: Doug Beattie,
An Ordinary Soldier: Afghanistan, a Ferocious Enemy
(New York: Simon & Schuster, 2008) und Jason Elliots wunderschönes Buch
Unerwartetes Licht. Reisen durch
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