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Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Titel: Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cédric Bannel
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besitzt einen weiteren Pass. Diese Überlegung verwarf Nick allerdings gleich wieder, denn dazu verfügte der Gesuchte nicht über die notwendigen Kontakte.
    Er stöberte in Schubladen, blätterte sorgfältig in Aktenordnern – nichts, was Léonard in Verbindung mit einem Betrug, einem zweifelhaften Projekt gebracht hätte. Der Flüchtige umgab sich gern mit Kunst, davon zeugten moderne Gemälde an der Wand. Dasjenige, das normalerweise den Safe verdeckte, stand am Boden. Nick drehte es um, trat zurück und stellte fest, dass man vom Schreibtisch aus direkt auf den Safe blickte. Das Bild, das ihn hinter sich versteckte, unterschied sich von den anderen an der Wand, es war eine impressionistische Landschaft. Zwei Frauen waren darauf zu sehen, die im Licht der untergehenden Sonne einem See entstiegen. Die Handtücher, die sie um den Körper geschlungen hatten, klebten eng am Leib und schlangen sich um füllige, milchweiße Formen. Weitere Frauen, die in bunte Tücher gehüllt am Ufer um einen Korb standen, warteten auf sie. Das Kunstwerk strahlte eine große Sanftheit aus.
    Er sah auf die Uhr. Wieder eine Stunde vorüber. Seufzend ging er die Treppe zum Schlafzimmer in der zweiten Etage hinauf. Es hatte Fenster zu zwei Seiten des Hauses, sechs insgesamt, war siebzig oder achtzig Quadratmeter groß und hatte blassgrün gestrichene Holzbalken an der Decke. Das Bett erschien Nick riesig, mindestens zwei mal zwei Meter, außerdem standen eine Couch und ein niedriger Tisch im Raum. Auf dem Boden lag ein dicker Wollteppich, über den er unwillkürlich strich. Im Nachttisch fand er eine unangebrochene Packung Präservative, eine Quittung auf blauem Papier lag bei. Der Gesuchtehatte die Packung im Oktober des Vorjahres gekauft, sie seitdem aber nicht benutzt, stellte Nick fest. Seltsam.
    Der begehbare getäfelte Kleiderschrank wirkte wie ein ganzes Bekleidungsgeschäft: zwanzig Quadratmeter aus kostbarem Holz, eine Reihe schwarzer Anzüge auf Kleiderbügeln, immer in gleichem Abstand. Ein Regal für weiße Hemden, ein weiteres für blaue. Alle von derselben französischen Marke wie auch die Anzüge. Weiße Unterhosen und schwarze Socken waren jeweils in einem eigenen Schubfach untergebracht. Die Sportsachen fanden sich in einem separaten Schrank: drei Paar Schuhe, vier schwarze Shorts, acht weiße T-Shirts.
    Nick ließ sich aufs Bett fallen. Dieses Haus hier war einfach nur ordentlich. Es erzählte keine Geschichte. Alles wirkte wie ein Bühnenbild. Er hatte das Gefühl, etwas Wichtiges im Arbeitszimmer übersehen zu haben, doch dieser Gedanke, so es denn tatsächlich einer war, verflüchtigte sich ebenso schnell, wie er aufgetaucht war.
    ***
    Mit einem Ruck wachte Joseph auf, irritiert blickte er auf eine Wand aus beigefarbenem Putz. Er warf die Bettdecke zurück, während ihm sein Hirn die richtigen Informationen lieferte: Er war in Kabul. Auf der Fahrt vom Flughafen hierher, gegen zehn Uhr abends, hatte er nur eine flache Stadt ohne jegliche Straßenbeleuchtung gesehen, in der allem Anschein nach die Zeit stehengeblieben war: ungeteerte Straßen, Gebäude aus den sechziger Jahren, die Kriegsschäden aufwiesen, eine lange Reihe im Verfall begriffener Bauten, wie man sie in Vorstädten findet.
    Nach einer heißen Dusche trat er, ein Handtuch um die Hüften geschlungen, in den Wohnraum der Wohnung, die er für die Zeit seines Aufenthalts im Land gemietet hatte. Sein hagerer Brustkorb war dicht mit Narben bedeckt, die Spuren von Einsätzen, bei denen es zu Gewalt gekommen war. »Oft verwundet,nie besiegt« – das war die Devise, die ihm sein Ausbilder seinerzeit eingetrichtert hatte. Er zog die Vorhänge zurück. Der Himmel war türkisfarben, majestätische schneebedeckte Berge ragten in der Ferne auf, soweit das Auge reichte. Vor dem Haus stand eine Reihe Fertighäuser, in denen Zivilisten und westliche Militärs wohnten, niedrige, schmucklose Gebäude, die rasch auf sumpfigem Gelände errichtet worden waren. Das gesamte Areal war von einer Armada privater Wachen und von bis an die Zähne bewaffneten Soldaten der ANA, der Afghan National Army, umstellt. Sein kurzes Haar war noch feucht, als er zu seinem Handy griff und die Nummer eines afghanischen Polizisten wählte, der heimlich für den BND arbeitete. Dies war der Maulwurf, der sein wichtigster Kontaktmann werden sollte. Beim zweiten Klingeln hob der Mann ab.
    »Baleh?«
    »Hamid Dostom?«
    »Ja, bitte?«
    »Ich bin der Freund Ihrer deutschen Freunde. Sie wissen sicher,

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