Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
verstanden hatte, musste er auf der Hut bleiben.
»Ich danke Ihnen für Ihre Informationen, Mullah. Sie sind sehr wertvoll. Dennoch werde ich mich selbst darum kümmern, das Paket in Empfang zu nehmen.«
Der Mullah lächelte gnädig.
»Natürlich, tun Sie, was Sie für richtig halten, ich verstehe Ihre Haltung.« Er zog seinen Mantel wieder über und deutete eine Verneigung an. »Einen schönen Tag, Bruder Osama. Ich wünsche Ihnen viel Glück!«
Joseph sah zu, wie die Panzer unter seinem Fenster vorbeifuhren. Er befand sich in einer Lagerhalle der riesigen Militärbasis von Bagram, weit von den durch die Firma angemieteten provisorischen Büros entfernt, und wartete auf zusätzliches Material zur akustischen Überwachung und auf neue, technisch ausgefeiltere Waffen für sein Team. Er war wütend, weil er für die sechzig Kilometer lange Strecke mehr als zwei Stunden gebraucht hatte.
Die Taliban hatten seit mehreren Monaten das schmale Asphaltband im Visier, das nach Bagram führte. Mehrere Sprengladungen waren bereits gezündet worden, der Sprengstoff hätte sogar für die schweren Panzer der Schutztruppe gereicht. An diesem Tag herrschte ein dichtes Aufkommen an Militärfahrzeugen, und Joseph – eingezwängt zwischen einem amerikanischen und einem französischen Konvoi – war in der Überholverbotszonenur im Schneckentempo vorangekommen und hatte eine perfekte Zielscheibe abgegeben.
»Fertig!«, rief Amin, als er das verglaste Büro betrat. »Ich warte nur noch auf die Empfangsbescheinigung der Zollbehörde.« Er reichte seinem Chef sein abhörsicheres Blackberry. »Eine erste Zusammenfassung der Überwachungsprotokolle.«
Seit dem Vortag war ein Team von vier Übersetzern aus Tadschikistan am Werk. Binnen Rekordzeit hatte sein Informant die Stimmproben besorgt, die sie benötigten. Seither übermittelte das Echelon-Netz sämtliche Gespräche von Osama und seinen Assistenten, unabhängig davon, wo sie stattfanden. Joseph überflog die Zusammenfassung. Keines der Gespräche enthielt etwas Interessantes. Bis auf eines. Fieberhaft sprang Joseph auf – das war es, worauf er gewartet hatte: die goldene Gelegenheit, um sein Problem zu lösen und den Polizisten aus dem Weg zu räumen, der sie behinderte. Dass sich die Gelegenheit so rasch bieten würde, hätte er nicht gedacht.
»Amin!«, rief er. »Ich muss auf der Stelle den Minister sprechen. Ruf vom Wagen aus an und mach einen Termin mit seinem Sekretariat aus.«
»Und die Empfangsbescheinigung?«
»Ist mir egal. Beeil dich!«
Er setzte sich selbst ans Steuer und ließ eine Staubwolke hinter dem Wagen aufwirbeln, bog dann in hohem Tempo in eine Seitenstraße mit einer Reihe von Lagerhallen ein, die einen starken Geruch von Nahrungsmitteln verströmten. Amin deutete mit dem Finger auf eine der Hallen.
»Ein Marinesoldat hat mir vor kurzem erzählt, dass die Special Operations Group hier drin Verhöre abhält.«
Eine der zahlreichen paramilitärischen Organisationen der CIA, spezialisiert auf zwielichtige Befragungsmethoden.
»Die werden sich nicht lange halten«, entgegnete Joseph.
In der Tat wurde dieses schmutzige Geschäft mittlerweile in größtmöglicher Entfernung von den offiziellen Niederlassungender westlichen Staaten ausgeübt, und zwar von den Afghanen selbst, in Gebäuden, die nicht der amerikanischen Gerichtsbarkeit unterstanden. Die neuen Anti-Folter-Gesetze entmutigten die amerikanischen Agenten, die Zulieferung der entsprechenden Materialien war rechtlich gesehen ebenso gefährlich geworden wie die unmittelbare Handlung. Die Existenz von Geheimorganisationen wie der Firma war die Antwort auf diese immer strengeren Gesetze.
Joseph bog plötzlich ab und kam schließlich wieder auf eine der Hauptstraßen, die die Militärbasis durchschnitten. Sie fuhren an einer Reihe riesiger Buffalos vorbei, der neuesten Modelle von Anti-Guerilla-Panzern. Die US-Army, hieß es, hatte gerade zehntausend Stück bestellt.
Ohne anzuhalten, fuhr der Jeep an einem Checkpoint vorbei, der den Zugang zu einer der Schutzzonen im Innern der Basis selbst markierte. Diverse amerikanische Geheimdienste hatten dort ihre Antennen, bezeichnenderweise jedoch nicht die CIA, denn diese besaß ihr eigenes Gebäude im Zentrum Kabuls, gegenüber dem Präsidentenpalast. Schließlich gelangten sie an das Eingangstor der Basis, welches Dutzende nervöse Marines auf Panzern bewachten, die den Finger am Abzug hatten. Seit ein
Shahid
die Crème de la Crème der CIA in
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